Das Feilbieten und der Ankauf von Edelmetallen an sog. „Aktionstagen“: Reisegewerbe oder stehendes Gewerbe?

Die Abgrenzung zwischen Reisegewerbe und stehendem Gewerbe gestaltet sich bei dem Ankauf von Edelmetallen bisweilen als schwierig. Vielerorts kaufen Gewerbetreibende Edelmetalle nur an sog. „Aktionstagen“ an. Oft finden die „Aktionstage“ nur über einen Zeitraum von wenigen Tagen statt. Gewerbetreibende mit diesem Geschäftsmodell sehen sich oft Untersagungsverfügungen ausgesetzt. Sie berufen sich oft darauf, dass sie ein stehendes Gewerbe ausüben.

Für die folgende Betrachtung gehen wir davon aus, dass ein Gewerbetreibender eine Hauptniederlassung angemeldet hat, über einen unbefristeten Mietvertrag verfügt und die nötigen Materialien (z.B. Goldwaage) sowie eine feste Geschäftsraumeinrichtung vorhält. Denn bei einem Handel mit Edelmetall müssen hierfür – auch außerhalb der Öffnungszeiten – insbesondere notwendige Gegenstände wie Waage, Prüfmaterialien und sonstige Werkzeuge vorgehalten werden (OLG Celle v. 9.12.1987, Az. 13 U 70/87, juris; VG München, Urteil vom 14. März 2011 – M 16 K 11.875 –, Rn. 37, juris m.w.N.). Dieser Aspekt soll hier nicht näher beleuchtet werden.

Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlageeiner Untersagung wäre § 60d in Verbindung mit § 56 Absatz 1 Nummer 2 GewO. 

Nach § 60d, 56 Abs. 1 Nummer 2 GewO kann das Feilbieten und der Ankauf von Edelmetallen im Reisegewerbe verboten werden. 

Maßgeblicher Zeitpunkt

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Untersagung wäre der Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung, weil eine Maßnahme nach § 60d GewO ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist. Mangels anderweitiger Bestimmungen durch das Fachrecht kommt es in diesen Fällen daher auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung an.

Tatbestand

Nach § 55 Abs. 1 GewO betreibt ein Reisegewerbe, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung selbstständig oder unselbstständig Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht oder ankauft. 

Ob eine gewerbliche nicht von einer Niederlassung im Sinne des § 55 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 GewO ausgeübt wird, hängt im Zweifel von der Überzeugung des Gerichts i.S.v. § 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO ab. 

„auf unbestimmte Zeit“

Geht man davon aus, dass ein fester Raum mit entsprechenden Arbeitsmaterialien dauerhaft vorgehalten wird, ist die nächste erhebliche Hürde bei Fällen dieser Art das Merkmal „auf unbestimmte Zeit“ in tatsächlicher Ausübung.

§ 55 Abs. 1 GewO enthält selbst keine Definition der gewerblichen Niederlassung, sondern verweist hierfür auf die Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 3 GewO. Danach besteht eine Niederlassung, wenn eine selbstständige gewerbsmäßige Tätigkeit auf unbestimmte Zeit und mittels einer festen Einrichtung von dieser aus tatsächlich ausgeübt wird.

§ 4 Abs. 3 GewO fordert die tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit auf „unbestimmte Zeit“ und nicht mehr wie früher § 42 Abs. 2 GewO a. F., dass ein Raum zum dauernden Gebrauch eingerichtet sein und ständig oder in regelmäßiger Wiederkehr genutzt werden muss. Jedoch sind auch unter dem neuen Recht meiner Meinung nach die schon bislang für den Niederlassungsbegriff entwickelten Grundsätze weiterhin anwendbar (vgl. Schönleiter, GewArch 2009, 384 ff.; VG München, Urteil vom 14. März 2011 – M 16 K 11.875 –, Rn. 35, juris). 

Zwischenergebnis: „regelmäßige Wiederkehr“ weiterhin erforderlich

Im Ergebnis kommen also deswegen bei dem Tatbestandsmerkmal „auf unbestimmte Zeit“, die Merkmale „ständig“ oder „in regelmäßiger Wiederkehr“ in Verbindung mit dem Merkmal „tatsächlich ausgeübt“ dogmatisch letztlich weiterhin mittelbar zur Anwendung. 

Erfährt die Benutzung eines Geschäftsraumes unübliche Unterbrechungen oder erfolgt die Inanspruchnahme des Raumes durch den Gewerbetreibenden zu so unbestimmten Zeiten, dass der Gewerbetreibende nur zufällig oder aufgrund besonderer Vereinbarung erreichbar ist, so liegt nämlich keine regelmäßige, sondern nur eine gelegentliche Inanspruchnahme des an sich auf Dauer präsenten Raumes vor (Landmann/Rohmer GewO/Schönleiter, 86. EL Februar 2021, GewO § 4 Rn. 47). Auf der einen Seite steht § 4 Abs. 3 GewO einer regelmäßigen Öffnung nur an einzelnen Tagen dem Grunde nach nicht entgegen. Eine von vornherein nur für wenige langfristig nicht vorhersehbare Tage geöffnete Betriebsstätte erfüllt dagegen auf der anderen Seite weiterhin nicht den Niederlassungsbegriff.

Kriterien

Da entscheidungserheblicher Zeitpunkt der Zeitpunkt der letzten Gerichtsentscheidung ist, kommt es auf folgende Kriterien an:

  • Voraussehbarkeit der Anwesenheit
  • Regelmäßigkeit der Anwesenheit

Den Kunden muss es, ohne die kurzfristig kommende Werbung weiterhin möglich, herauszufinden, zu welchen Zeiten der Gewerbetreibende Ankäufe durchführt oder in seinen Geschäftsräumen erreichbar ist. Es ist, was nach dem Gesetz für ein stehendes Gewerbe entscheidend ist, ohne und vor der vom Kläger geschalteten Werbung nicht absehbar, wann die Ankäufe stattfinden. Aus Sicht des Kunden darf es nicht dem Zufall vorbehalten, ob und wann Kunden Vertreter des Gewerbetreibenden oder den Gewerbetreibenden selbst in dem Geschäftsraum antreffen können. 

Keineswegs sollte es so sein, dass jeweils kurz nach den Aktionstagen, der Gewerbetreibende für seine Kundschaft regelmäßig nicht mehr persönlich erreichbar ist. Die Kunden dürfen mithin nicht nach den Aktionstagen vor verschlossener Tür stehen und z.B. über „Betriebsferien“ informiert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die jeweils zuvor von dem Kläger geschalteten Werbeanzeigen nur die jeweils unmittelbar bevorstehenden Ankaufstage beworben werden.

Fazit: 

Es empfiehlt sich daher sämtliche Termine im Jahr bekannt zu geben. Für den Kunden darf sich nicht erst bei der Rückschau über ein Jahr zeigen, ob die Ankaufstage nach einem bestimmten System oder willkürlich stattfinden. Ein festes System muss eindeutig nach außen hin in Erscheinung treten. Wäre dies nicht der Fall widerspräche dies dem gewerberechtlich verfolgten Schutz der Kunden, die – ebenso wie die Behörden – einer gewissen Kontinuität in der Erreichbarkeit versichert sein sollen. Die Möglichkeit eines Treffens allein aufgrund einer besonderen Vereinbarung oder die aus der Sicht des Kunden zeitlich willkürliche oder zufällige Benutzung von Geschäftsräumen mit unüblichen Unterbrechungen genügt jedoch nicht. Es darf nicht von Zufälligkeiten abhängig sein, ob und wann der Kläger für seine Kunden erreichbar ist.  

Hinzukommt, dass es sich zusätzlich auch vertreten ließe, hier die Grundsätze der sog. Wanderlager zur Anwendung zu bringen. Entsprechend der Verwaltungsvorschriften hierzu soll erst bei einem ununterbrochenen Warenvertrieb von mindestens 6 Wochen Dauer ein stehendes Gewerbe anzunehmen sein,380 ReisegewVwV Nr. 5 Abs. 1 (Landmann/Rohmer GewO/Schönleiter, 86. EL Februar 2021, GewO § 56a Rn. 22). Dies ist bei dem hier beschriebenen Geschäftsmodell in der Regel nicht der Fall.

Ankaufsgeschäftsmodelle für Edelmetalle mit sog. „Aktionstagen“ laufen vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit regelmäßig Gefahr als Reisegewerbe qualifiziert zu werden. Letztlich kommt es auf eine dauerhafte Anmietung und das Vorhalten von Arbeitsmaterialien nicht entscheidend an, wenn die Anwesenheit für die Kundschaft nicht prognostizierbar ist. Etwaige Umgehungsversuche durch „Betriebsferien“ oder der Hinweis auf telefonische Erreichbarkeit haben vor der auch hier sehr sensiblen Verwaltungsgerichtsbarkeit nur wenig Aussicht auf Erfolg.

RA Dipl. iur. Marc Heidemann

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