Abrissverfügung über genehmigte, aber faktisch zum Wochenendhaus umgebaute Jagdhütte im Außenbereich

Einleitung

Das Wochenendhaus im Außenbereich. Ein Klassiker im Leben und in der Rechtsprechung. Eigentümer von Gartenhütten, Gartenhäusern oder Jagdhütten im Außenbereich möchten seit jeher ihre beispielsweise als Jagdhütten genehmigten Hütten gerne auch für das Wochenende nutzen. Oft fragen Mandanten, ob es Schlupflöcher im Außenbereich gibt. Bis wann ist eine Jagdhütte noch eine Jagdhütte ? Ab wann liegt eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vor? 

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass sich die Qualifikation der Nutzungsänderung zum Wochenendhaus umgehen lässt, wenn man die Umbaumaßnahmen als Sanierungsarbeiten betitelt. Sodann wird oft gefragt, ob es sich lohnt gegen eine Abrissverfügung nach faktischer Nutzungsänderung vorzugehen. 

Auch fragt man sich, ob das Risiko einer Nutzungsänderung eingegangen werden kann und wo die Grenzen liegen. Also ab wann mit einer Abrissverfügung gerechnet werden muss. 

Wir empfehlen daher dringend, vor „Sanierungsmaßnahmen“ an Gartenhütten oder Jagdhütten im Außenbereich einen Anwalt mit Schwerpunkt im öffentlichen Baurecht zu konsultieren. Denn grundsätzlich gilt im Außenbereich: Ist nicht.

Dazu ein Fallbeispiel:

Fallbeispiel: Eigentümer E besitzt eine alte Baugenehmigung für eine Jagdhütte.Eines Tages entschloss er sich, die Hütte zu „sanieren“.  Er ließ die Außenwände des aufstehenden Gebäudes – der ehemaligen Jagdhütte – mit Schiefer verkleiden, die alte Nachtstromspeicherheizung durch eine Gasheizung ersetzen, einen erdgedeckten Flüssiggastank installieren und die Fenster sowie den vorhandenen Holzofen erneuern. Anstelle eines Fensters in einer Giebelseite wurde eine Terrassentür eingebaut. Die Innenwände wurden entfernt und mit vollständig anderer Raumaufteilung neu gesetzt. Das Gebäude verfügt nunmehr über einen großen Wohnraum mit integrierter Kochzeile, ein Schlafzimmer, ein Badezimmer, ein separates WC, einen kleinen Abstellraum und einen Flur. Die untere Bauaufsichtsbehörde möchte den kompletten Abriss verfügen. E ist der Ansicht, das könne nicht angehen. Immerhin sei die ursprüngliche Hütte genehmigt gewesen! Wie ist die Rechtslage?

I. Was ist die Ermächtigungsgrundlage für die Behörde bei einer Abrissverfügung?

Steht eine bauliche Anlage in Widerspruch zum öffentlichen Baurecht, kann die zuständige Bauaufsichtsbehörde die erforderlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung ordnungsgemäßer Zustände nach pflichtgemäßem Ermessen treffen.

In Niedersachsen ist Rechtsgrundlage für eine Abrissverfügung § 79 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 NBauO.

II. Widerspruch zum öffentlichen Baurecht

Tatbestandlich setzt die Rechtsgrundlage für eine Abrissverfügung einen baurechtswidrigen Zustand voraus.

1. Reichweite einer Baugenehmigung für eine Gartenhütte/Jagdhütte

Zunächst gehen wir davon aus, dass eine seinen Bestand und seine derzeitige Nutzung als faktisches Wochenendhaus legalisierende Baugenehmigung nicht vorliegt. 

Dass E meint, er habe die Jagdhütte lediglich saniert, kommt es nicht an. 

Freilich hat der E im Grundsatz Recht: Eine Sanierung wäre in der Tat genehmigungsfrei gewesen. Im Beispielsfall kann aber von einer Sanierung nicht mehr die Rede sein. Die Veränderungen waren so tiefgreifend und umfassend, dass der begriffliche Rahmen einer „Sanierung“ gesprengt ist. Bei dem Begriff der Sanierung kommt es nicht auf das subjektive Empfinden die Bauherren, sondern auf eine objektive Betrachtung an. Umfangreiche Erneuerungen und Umgestaltungen bei der Raumaufteilung führen in der Regel zu einer Genehmigungsbedürftigkeit.

Auf den Bauschein für eine Gartenhütte/Jagdhütte kann man sich daher nicht berufen, wenn sich die Baugenehmigung auf ein wesentlich kleineres Bauwerk und einen anderen Nutzungszweck bezieht.

Bei der Beurteilung des Nutzungszwecks ist eine objektive Betrachtung geboten. Die Behauptung, man habe lediglich bei gleichbleibenden Nutzungszweck sanieren wollen, kommt es also im Ernstfall nicht zwingend an.

1. Unzulässigkeit eines Wochenendhauses im Außenbereich

Dient das Vorhaben nach der „Sanierung“ überwiegend Wohnzwecken, richtet sich die Zulässigkeit nach der objektiven Nutzung. Im Beispielsfall also eher einem Wochenendhaus,

Ein Wochenendhaus widerspricht im Außenbereich in der Regel dem materiellen Baurecht. Es ist im Außenbereich bauplanungsrechtlich unzulässig.

Ein Wochenendhaus ist nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert und kann als „sonstiges Vorhaben“ nicht zugelassen werden, wenn öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 2 und 3 BauGB beeinträchtigt werden. Dies ist in der Regel der Fall. Es steht zu befürchten, dass das Landschaftsbild beeinträchtigt wird und sich Splittersiedlungen bilden könnten.

2. Bestandsschutz?

Das Gebäude könnte in seiner heutigen Ausgestaltung und Nutzung (materiellen) Bestandsschutz genießen.

a. Grundlage des Bestandsschutzes

Der aus Art. 14 Abs. 1 GG herzuleitende Bestandsschutz gewährleistet, dass sich eine rechtmäßige Nutzung auch gegen neues entgegenstehendes Recht durchsetzt. 

Er greift nur, wenn die jeweilige Anlage zu irgendeinem Zeitpunkt ausdrücklich genehmigt worden oder jedenfalls materiell zulässig gewesen und der so bewirkte Bestandsschutz nicht nachträglich entfallen ist. Er erstreckt sich lediglich auf den genehmigten beziehungsweise materiell zulässig gewesenen Bestand einer baulichen Anlage und ihre diesbezügliche Funktion. 

b. Bestandsschutz bei Funktionsänderungen

aa. Grundsätzlich kein Bestandsschutz bei wesentlicher Funktionsänderung

Der Bestandsschutz erfasst grundsätzlich nicht Bestands- oder Funktionsänderungen, weil diese über den genehmigten beziehungsweise materiell zulässig gewesenen Zustand hinausgreifen würden. Ein solches Hinausgreifen wäre von den die Eigentümerstellung regelnden Bauvorschriften aber nicht mehr gedeckt.

bb. Voraussetzung des Erlöschens: wesentliche Nutzungsänderung

Eine (nicht nur unwesentliche) Nutzungsänderung führt grundsätzlich zur Beendigung des Bestandsschutzes für die in einem Gebäude ausgeübte frühere Nutzung. Entsprechendes gilt für bauliche Änderungen. 

Wird das Gebäude zerstört oder ist die Änderung so erheblich, dass das geänderte Gebäude nicht mehr mit dem alten, bestandsgeschützten identisch ist, so genießt es auch nicht dessen Bestandsschutz gegenüber dem entgegenstehenden Baurecht. 

Entscheidend sind also auch hier Art und Umfang der baulichen Maßnahmen. 

Es kommt entscheidend darauf an, ob wie stark die bauliche Anlage geändert wird, und ob sie eine neue und andersartige Identität erhält.

Ist das Gebäude durch die baulichen Maßnahmen derart verändert worden, dass es sich gegenüber dem früheren Zustand als etwas anderes, als ein „aliud“, darstellt, so entfällt in der Regel der Bestandsschutz.

Wenn die Errichtung und Nutzung eines Gebäudes zu Freizeit(wohn)zwecken im Außenbereich von jeher unzulässig sind, kann man sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Bestand des Gebäudes auf einen etwaigen Bauschein zurückgeht. 

Ein durch diesen Bauschein ursprünglich möglicherweise vermittelter (formeller) Bestandsschutz ist dann mit hoher Wahrscheinlichkeit unter beiden genannten Aspekten – Nutzungsänderung und bauliche Änderung – erloschen. Die Änderung der Nutzung eines als Jagdhütte/Gartenhütte genehmigten Gebäudes zu Freizeitzwecken m Falle einer Nutzung als Wochenendhaus – führt zur Entprivilegierung und damit zum Verlust des Bestandsschutzes.

c. Bestandsschutz durch faktische Duldung?

Viele Eigentümer meinen oft, es könne nicht angehen, dass auf einmal gegen sie vorgegangen werde. Sie berufen sich dann auf eine sogenannte faktische Duldung.

Doch dies hilft ihnen nicht.

Allein die faktische Duldung, die sich durch ein länger andauerndes Hinnehmen des illegalen Zustandes durch die Behörde auszeichnet, vermag keinen entsprechenden Vertrauenstatbestand zu begründen.

d. Rückbau zum Altbestand als milderes Mittel?

Möglicherweise ist eine Abrissverfügung aber unverhältnismäßig. Dies setzt aber voraus, dass ein Rückbau möglich ist.

Dies ist nicht der Fall, wenn ein Rückbau zum „Altbestand“ nach zum Beispiel nach Erneuerung aller Innenwände nicht möglich ist.


Es empfiehlt sich daher, vor der Vornahme von baulichen Maßnahmen sorgfältig zu prüfen, ob ein Rückbau möglich ist. Wird die Bausubstanz vollständig ersetzt ist dies in der Regel nach der Rechtsprechung nicht der Fall. Dann ist eine Abrissverfügung mit hoher Wahrscheinlichkeit unumgänglich. Man steht dann mit weniger da als vorher.

RA Dipl. iur. Marc Heidemann

RA Marc Heidemann konzentriert sich auf das Verwaltungsrecht und deckt eine breite Palette an verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten ab. Seine Schwerpunkte liegen insbesondere im Waffenrecht, Denkmalschutzrecht und Baurecht. Bei verwaltungsrechtlichen Fragen bietet er zudem Unterstützung im Arbeits- und Zivilrecht. Entdecken Sie sein Fachwissen für Ihre rechtlichen Belange.

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