Ob ein Darlehen als einkommensmindernd oder -erhöhend einzuordnen ist, stellt im BaföG-Recht und im Wohngeld-Recht immer wieder Streitpunkt dar. Eine klare Abgrenzung ist in der Praxis selten möglich, sodass es immer auf den Einzelfall und seine Besonderheiten ankommt. Als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht in Hamburg berate ich Sie zu diesem Thema gerne. Hier habe ich für Sie einige Abgrenzungskriterien zusammengetragen.
Und täglich grüßt das einkommensmindernde Darlehen…
Inhaltsverzeichnis
Insbesondere Darlehen aus dem Familienkreis stehen per se unter dem Verdacht als verdeckte Schenkungen einkommenserhöhende Wirkung zu entfalten. Allein deshalb sind die Anforderungen an Familiendarlehen sehr hoch.
Grundsätzlich: Zivilrechtliche Wirksamkeit
Für die Frage, ob ein behauptetes Darlehen als bestehende Schuld und etwaige Geldzuflüsse daraus nicht als einkommensmindernd anzuerkennen ist, ist zunächst allein maßgeblich, ob ein Darlehensvertrag zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden ist.
Wer muss das beweisen?
Die Wirksamkeit muss von dem darlegungspflichtigen auch nachgewiesen werden können (Darlegungslast/Beweislast desjenigen, der sich darauf berufen möchte). Weil für den Antragsteller förderungsrechtlich günstige Umstand, ob und in welchem Umfang er vermögensmindernde Schulden hat, seine Sphäre betrifft, obliegt ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu Lasten der antragstellenden Person.
Hohe Anforderungen wegen Missbrauchsgefahr
Dies liegt daran, dass gerade im Förderungsrecht die Gefahr des Missbrauchs bestehen kann, wenn der Antragsteller die Behauptung aufstellt, er habe mit einem nahen Angehörigen einen sein Vermögen mindernden Darlehensvertrag geschlossen.
Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, ist es geboten, an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit der Verträge strenge Anforderungen zu stellen.
Klare Unterscheidung zu verschleierter Schenkung oder verdeckter Unterhaltsgewähr erforderlich
Dies setzt etwa voraus, dass sich die Darlehensgewähr auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen lässt.
Ämter zu umfassender Würdigung der Umstände verpflichtet?
Die Ämter und die Tatsachengerichte haben ihrerseits zur Klärung der Frage, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist und welchen Inhalt dieser gegebenenfalls hat, alle Umstände des Einzelfalles sorgsam zu ermitteln und umfassend zu würdigen. Die Realität sieht jedoch oft anders aus. Wegen der oben beschriebenen Darlegungslast, ist es für eine korrekte Würdigung deshalb erforderlich, möglichst viele Informationen und Nachweise und das auch möglichst frühzeitig von selbst zu liefern. Hat man beispielsweise ein Familiendarlehen vergessen zu melden und bringt dies erst nachträglich zur Sprache, kann bereits dieser Umstand als belastendes Indiz gegen die Annahme eines einkommensmindernden Darlehens nachteilige Wirkungen entfalten.
Sonderfall Familiendarlehen: Indizienwürdigung
Soweit die relevanten Umstände in familiären Beziehungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, die häufig nicht zweifelsfrei feststellbar sind, ist es gerechtfertigt, für die Frage, ob ein entsprechender Vertragsschluss vorliegt, auch äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 – 2 BvR 802/90 – BB 1995, 2624 <2625> m.w.N.). (Urteil vom 04.09.2008 – BVerwG 5 C 30.07)
Hierbei sind die für und gegen einen wirksamen Vertragsabschluss sprechenden Indizien, deren nachfolgende Aufzählung sich hier nicht als abschließend versteht, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu gewichten und zu würdigen.
a) Dafür: Wahrung der Modalitäten des § 488 BGB
Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten (wie der Vereinbarung der in § 488 Abs. 1 BGB genannten Vertragspflichten) kann als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen worden ist. Hier ist zu beachten, dass die mit dem strengen Fremdvergleich verbundenen Beschränkungen für die Vertragsgestaltung (wie insbesondere Schriftlichkeit, dingliche Sicherung und Verzinsung) weder den tatsächlichen Verhältnissen noch der grundsätzlich durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen Respektierung familiärer Vertrauensbeziehungen gerecht werden würden und deshalb nicht zwingend erforderlich sind.
b) Dagegen: Keine Angaben zur Darlehenshöhe, Zeitpunkt des Vertragsschusses und insbesondere Rückzahlungsmodalitäten
Insbesondere spricht es etwa gegen die Glaubhaftigkeit einer solchen Behauptung, wenn der Inhalt der Abrede (insbesondere die Darlehenshöhe sowie insbesondere die Rückzahlungsmodalitäten) und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substanziiert dargelegt werden.
(1) Fehlende Rückzahlungsmodalitäten:
Das Fehlen konkreter Rückzahlungsmodalitäten kann insoweit ein gewichtiges Indiz gegen ein wirksames Darlehen sein.
So heißt es in einem ein einkommensminderndes Darlehen verneinenden Urteil:
Konkrete Beträge oder ein konkreter Zeitraum für die Rückzahlung werden nicht genannt. Eine greifbare Rückzahlungsperspektive war deshalb nach der maßgeblichen ex-ante-Betrachtungsweise insbesondere aufgrund der Bindung der Rückzahlungsverpflichtung an die unsichere finanzielle Situation der Klägerin nicht gegeben.
(VG München, Urteil vom 17. Mai 2018 – M 22 K 16.1853 –, Rn. 28, juris)
(2) Fehlende Rückzahlungsfähigkeit und -perspektive
Insbesondere sind Darlehen, die für den Lebensunterhalt verwendet werden, jedenfalls dann wie Einnahmen zu behandeln, wenn mit der Rückzahlung entweder überhaupt nicht oder doch nur bei Eintritt eines ungewissen Ereignisses gerechnet werden kann (vgl hierzu BVerwG, U.v. 30.11.1972 – VIII C 81.71 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 23.12.2004 – 9 C 04.2900 – juris Rn. 18; B.v. 27.1.2006 – 9 C 05.3109 – juris Rn.15; VG Augsburg, U.v. 17.10.2013 – Au 6 K 13.1174 – juris Rn. 17; VG München, Urteil vom 17. Mai 2018 – M 22 K 16.1853 –, Rn. 26, juris).
Erforderlich für die Anerkennung als Darlehen ist deshalb, dass die reale Zurückzahlung des Darlehens zum Zeitpunkt des Darlehensabschlusses in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann (OVG NRW, B.v. 10.11.2009 – 12 E 276/09 – juris Rn. 6; VG Augsburg, Urteil vom 17. Oktober 2013 – Au 6 K 13.1174 –, Rn. 21, juris).
c) Dagegen: Kein plausibler Grund für Abschluss des Darlehens
Gleiches gilt, wenn ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht ersichtlich ist oder genannt werden kann. Gleiches gilt aber auch, wenn der bezeichnete Grund nicht dazu geeignet ist, eine genügende Abgrenzung gegenüber einer Schenkung oder einer freiwilligen Unterstützung bzw. Unterhaltszahlung zu ermöglichen.
d) Dagegen: Zu späte Angabe des Darlehens
Ebenso lässt es sich als Indiz gegen einen wirksamen Vertragsschluss werten, wenn der Antragstellende eine etwaige Darlehensverpflichtung nicht von vornherein in seinem Antragsformular bezeichnet, sondern gewissermaßen zum Zwecke der Saldierung erst angegeben hat, nachdem er der Behörde gegenüber nachträglich einräumen musste, anrechenbares Vermögen zu besitzen.