Anspruch auf Abschluss einer Betreuungsvereinbarung und Zulassung als Doktorand bei bereits fertiger Dissertation?

Problem: fehlende Betreuuungsvereinbarung und deshalb Ablehnung der Registrierung des Promotionsvorhabens

Eine Promotion ist nach geltendem Satzungsrecht an den meisten Universitäten ohne den Abschluss einer Betreuungsvereinbarung nicht möglich. 

Bei verfassungskonformer Auslegung der Promotionsordnung kann man aber einen Anspruch auf Abschluss einer Betreuungsvereinbarung und Zulassung als Doktorand haben, wenn die Dissertation bereits fertig ist (VG Würzburg, 30.06.2021 – W 2 K 20.474).

Regelungen zur Zulassung von Promotionen berühren sowohl den Schutzbereich der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit als auch den Schutzbereich der von Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit von Promotionsbewerbern (BVerwG, U.v. 30.9.2015 – 6 C 45/14 – juris).

Die Promotion ist eine akademische Würdigung, welche den Träger für eine eigenständige wissenschaftliche Leistung auszeichnet. Durch sie wird eine über das allgemeine Studienziel hinausgehende, besondere Befähigung zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit nachgewiesen (Art. 64 BayHSchG; vgl. auch BVerwG, U.v. 21.6.2017 – 6 C 3/16 – juris).

Das Promotionsrecht steht de facto weitgehend allein den Universitäten zu. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vermittelt Promotionsbewerbern daher ein Recht auf Teilhabe an der bei den Universitäten monopolisierten Ressource Promotion als Nachweis wissenschaftlicher Leistung, wenn sie die in rechtmäßiger Weise aufgestellten Voraussetzungen für die Zulassung zur Promotion erfüllen (BVerwG, U.v. 30.9.2015 – 6 C 45/14 – juris m.w.N.).

Darüber hinaus ist die Promotion – auch außerhalb des universitären Bereichs – von erheblicher Bedeutung für die Verwirklichung der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Promotionsbewerber, da es sich für eine Vielzahl von beruflichen Tätigkeiten jedenfalls für die Berufsausübung als förderlich erweist, wenn die Berufstätigen auf einen Doktorgrad als Nachweis einer von ihnen erbrachten wissenschaftlichen Leistung verweisen können (BVerwG, U.v. 30.9.2015 – 6 C 45/14 – juris m.w.N.).

Anspruch auf Abschluss einer Betreuungsvereinbarung bei verfassungskonformer Auslegung der Promotionsordnung?

Bei verfassungskonformer Auslegung der Promotionsordnung kann es deshalb sein, dass Promotionsbewerbern, die eine Dissertation ohne Betreuungsvereinbarung erstellt haben und die übrigen Promotionsvoraussetzungen erfüllen, der Abschluss einer Betreuungsvereinbarung durch die Universität ermöglicht werden muss.

Grundrechte der Promotionsbewerber aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG – Verhältnismäßigkeit

Promotionszulassungsvoraussetzungen, zu deren Regelung die Universitäten im Rahmen ihrer durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten akademischen Selbstverwaltung und der darin enthaltenen Satzungsautonomie berufen sind, müssen daher im Einklang mit den Grundrechten der Promotionsbewerber aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG stehen. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Beschränkungen, die den Erwerb des Doktorgrades betreffen, kann sich zum Schutz der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Funktionsfähigkeit der Hochschule in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre sowie der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer ergeben, die mit den Grundrechten der Promotionsbewerber nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz in einen angemessen Ausgleich zu bringen sind. Die Universitäten haben dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BVerwG, U.v. 30.9.2015 – 6 C 45/14 – juris).

Ein in der Promotionsordnung vorgesehene Erfordernis des Abschlusses einer Betreuungsvereinbarung erweist sich nur dann als verhältnismäßig, wenn Promotionsbewerbern, die ohne Betreuungsvereinbarung eine Dissertation erstellt haben und die übrigen Promotionsvoraussetzungen erfüllen, der Abschluss einer Betreuungsvereinbarung durch die Hochschule ermöglicht wird, sofern keine sachlichen Gründe entgegenstehen (ähnlich Sieweke, JuS 2009, 283; BeckOK HochschulR BW/Keil, 20. Ed. 1.3.2021, LHG, Rn. 48 zu § 38; vgl. zur Frage der Rechtmäßigkeit des Erfordernisses einer Betreuungsvereinbarung als Promotionszulassungsvoraussetzung auch Löwisch/Wüttenberger, OdW 2014, 103; Epping, Niedersächsisches Hochschulgesetz, 1. Auflage 2016, Rn. 33 ff zu § 9; Hartmer in Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 3. Auflage 2017, Kapitel 5, Rn. 17 f; OVG Lüneburg, U.v. 2.12.2009 – 2 KN 906/06 – juris).

Im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer Fortentwicklung der wissenschaftlichen Forschung gehört es gem. Art. 9 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG zu den Dienstpflichten eines Hochschullehrers, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, und damit auch zu betreuen, wenn ihm dies möglich ist (vgl. hierzu auch Sieweke, JuS 2009, 283; Epping, Niedersächsisches Hochschulgesetz, 1. Auflage 2016, Rn. 36 zu § 9). Eine Verletzung der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer ist hiermit nicht verbunden (Sieweke, JuS 2009, 283; vgl. hierzu auch BVerwG, B.v. 25.7.1985 – 7 B 139.85 – juris). Zwar mag Hochschullehrern ein wissenschaftlich-pädagogischer Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Vorhandenseins der Voraussetzungen für die Begründung eines Betreuungsverhältnisses zuzugestehen sein. Der Schwerpunkt hierbei muss jedoch – gerade bei bereits fertig gestellten Arbeiten – auf der wissenschaftlichen Beurteilung liegen (vgl. hierzu VGH Mannheim, B.v. 15.10.2014 – 9 S 1485/14 – juris; BVerwG, B.v. 25.7.1985 – 7 B 139.85 – juris; B.v. 5.11.1985 – 7 B 197/85 – juris). 

Es dürfen aber im Übrigen keine sachlichen Gründe entgegenstehen

Weitere Voraussetzung für einen Anspruch auf Abschluss einer Betreuungsvereinbarung ist, dass der Betreuung keine sachlichen Gründe entgegenstehen. Nur dann erweist sich das Erfordernis des Abschlusses einer Betreuungsvereinbarung als Promotionszulassungsvoraussetzung als rechtmäßig.

Ablehnung möglich bei fehlender Kapazität oder mangelnder fachlicher Kompetenz

Eine Ablehnung kann etwa gerechtfertigt sein bei fehlender Kapazität oder mangelnder fachlicher Kompetenz für die Betreuung einer angestrebten Promotion (Sieweke, JuS 2009, 283; BeckOK HochschulR BW/Keil, 20. Ed. 1.3.2021, LHG Rn. 48 zu § 38).

RA Dipl. iur. Marc Heidemann

Marc Heidemann ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Verwaltungsrecht und in Hamburg tätig. Seine juristische Ausbildung absolvierte er an der Universität Hamburg, wo er sich intensiv mit den Bereichen Rechtspflege, Internationales Privatrecht, Insolvenzrecht sowie Zwangsvollstreckungs- und Kreditsicherungsrecht befasste. Sein Referendariat führte ihn an das Oberlandesgericht Celle mit einer verwaltungsrechtlichen Spezialisierung am Verwaltungsgericht Stade, insbesondere in den Bereichen Gewerberecht, Öffentliches Baurecht und Landwirtschaftsrecht. Zusätzlich erwarb er eine verwaltungsrechtliche Zusatzqualifikation an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. In seiner anwaltlichen Tätigkeit berät und vertritt Marc Heidemann Mandanten in verschiedenen Bereichen des Verwaltungsrechts. Schwerpunkte sind unter anderem das Waffenrecht, das Denkmalschutzrecht, das Schulrecht und das Baurecht. Er prüft die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten, begleitet Genehmigungsverfahren und vertritt Mandanten vor den zuständigen Verwaltungsgerichten. Dabei geht es oft um Fragen zu behördlichen Entscheidungen, die Auswirkungen auf die berufliche oder private Situation der Betroffenen haben. Marc Heidemann ist Mitglied der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg und setzt sich kontinuierlich mit aktuellen Entwicklungen im Verwaltungsrecht auseinander. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachartikel zu verwaltungsrechtlichen Themen.

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