Außengastronomie und Baugenehmigung?

Die Außengastronomie ist aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken – doch aus rechtlicher Sicht wirft sie regelmäßig Fragen auf. Wann wird aus ein paar Bänken und Tischen vor dem Lokal eine genehmigungspflichtige bauliche Anlage? Und welche rechtlichen Anforderungen gelten, wenn die Nutzung einer Gaststätte nach draußen ausgeweitet wird – insbesondere auf öffentliche Flächen? Der folgende Beitrag ordnet die baurechtliche Einordnung der Außengastronomie und das Verhältnis zur straßenrechtlichen Sondernutzung ein.

Außengastronomie als Teil einer baulichen Anlage

Bei einer Außengastronomie, durch das Aufstellen von Tischen mit Bänken auf dem Gehweg vor dem Betrieb hat, handelt es sich um einen Teil einer baulichen Anlage, gegen den bauaufsichtlich eingeschritten werden kann.

Gemäß den Bauordnungen der Länder, beispielsweise in Hamburg nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HBauO sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen, wobei eine Verbindung mit dem Boden unter anderem auch dann besteht, wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden. 

Stühle und Tische als bauliche Anlage?

Es kann dahinstehen, ob das bloße Aufstellen von Tischen und Bänken zum Zwecke der Außengastronomie bereits als Herstellung einer baulichen Anlage in diesem Sinne angesehen werden kann (in diese Richtung VGH München, Urt. v. 31.7.2003, 2 B 00.3282, juris Rn. 8; ablehnend OVG Bremen, Urt. v. 3.5.1994, OVG 1 BA 46/93, GewArch 1996, 78, 79). So kann man sagen, mit dem Aufstellen der Tische und Stühle während der Frühlings- und Sommermonate, auch wenn sie nicht fest mit dem Boden verbundenund nach Gebrauch wieder entfernt und an anderer Stelle im Hof gelagert werden, entsteht eine nach außen hin erkennbare verfestigte Beziehung zwischen der Außenmöblierung und dem Grundstück und damit eine fiktive bauliche Anlage (vgl. hierzu Lechner in Simon, BayBO Art. 2 RdNr. 300; Brügelmann/Dürr, BauGB, RdNr. 20 zu § 29).

Baugenehmigung jedenfalls erforderlich bei Erweiterung von Innen- zu Außengastronomie

Jedenfalls stellt die ausgeübte Außengastronomie einen (abteilbaren) Teil der baulichen Anlage eines Betriebes, wenn ein bestehender Gaststättenbetrieb erweitert wird. Die Erweiterung eines bestehenden Gaststättenbetriebes von „drinnen“ nach „draußen“ durch das Aufstellen von Tischen und Bänken ist eine nach § 29 Abs. 1 BauGB, § 59 Abs. 1 Satz 1 HBauO genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung (vgl. VGH München, Urt. v. 27.7.2005, 25 BV 03.73, juris Rn. 12; Urt. v. 31.7.2003, 2 B 00.3282, juris Rn. 8; OVG Bremen, Urt. v. 3.5.1994, OVG 1 BA 46/93, GewArch 1996, 78, 79; VG Hamburg, Urt. v. 27.11.2003, 17 VG 3530/2002, juris Rn. 34; VG Berlin, Beschl. v. 3.6.2019, 19 L 226.19, juris Rn. 43 ff. bestätigt durch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.4.2020, OVG 2 S 31.19, juris]; wohl auch OVG Hamburg, Beschl. v. 8.2.2023, 2 Bf 313/21.Z, n.v.; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 7.11.2002, 4 B 64/02, juris Rn. 6). 

Bodenschutzrechtliche Relevanz und Rücksichtnahmegebot

Denn die Änderung der Nutzung einer baulichen Anlage ist genehmigungsbedürftig, wenn sie bodenrechtlich relevant sein kann und aus diesem Grund die Genehmigungsfrage neu aufwirft. Dies ist immer dann der Fall, wenn eine Änderung der Nutzungsweise, über die der genehmigten Nutzungsart eigene Variationsbreite hinausgeht (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, 4 C 10/09, juris Rn. 12; OVG Hamburg, Beschl. v. 10.2.2020, 2 Bs 290/19, n.v.). 

Dies ist der Fall, wenn durch das erstmalige Vordringen der Gaststättennutzung der Beigeladenen auf die Straßenverkehrsfläche wird die Variationsbreite der genehmigten Nutzung als reine Innengastronomie verlassen. Dadurch können insbesondere im Hinblick auf Lärmimmissionen erhöhte Belastungen für die Nachbarschaft entstehen, so dass die Zulässigkeit der neuen Nutzung im Hinblick auf das Rücksichtnahmegebot möglicherweise anders zu beurteilen sein könnte als die bisherige Nutzung. Ob tatsächlich eine andere baurechtliche Beurteilung zu erfolgen hat, ist für das Vor-

liegen einer genehmigungsbedürftigen Nutzungsänderung ohne Belang; die Beantwortung dieser Frage ist erst das Ergebnis der erforderlichen baurechtlichen Prüfung (vgl. VGH München, Urt. v. 31.7.2003, 2 B 00.3282, juris Rn. 8; OVG Bremen, Urt. v. 3.5.1994, OVG 1 BA 46/93, GewArch 1996, 78, 79).

Genehmigungspflicht trotz Sondernutzungserlaubnis

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Trugschluss aus Informationen, in denen nur auf die erforderliche Erweiterung der Gaststättenerlaubnis, nicht aber auf das Erfordernis einer Baugenehmigung hingewiesen wird) – nicht daraus, dass die Außengastronomie auf einer öffentlichen Wegefläche betrieben wird und daher einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis, in Hamburg beispielsweise nach § 19 Abs. 1 HWG bedarf, welche ggf. bereits erteilt wurde (wohl ebenso VG Berlin, Beschl. v. 3.6.2019, 19 L 226.19, juris; a.A. ohne nähere Begründung Stollenwerk, GewArch 2021, 452, 454). 

Baugenehmigung und Sondernutzungserlaubnis sind grundsätzlich voneinander unabhängig und – sofern kein Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung durchgeführt wird, in dem straßenrechtliche Vorschriften nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HBauO zu prüfen wären – gesondert einzuholen. Die baurechtlichen Vorschriften zur Genehmigungsbedürftigkeit einer Nutzungsänderung unterscheiden nicht danach, ob sich die geänderte Nutzung auf einen öffentlichen Weg oder auf eine andere Fläche erstreckt. Das straßenrechtliche Genehmigungsverfahren ist auch kein Genehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung, das eine Baugenehmigung nach § 59 Abs. 1 Satz 2 HBauO entfallen ließe.

Fazit

Die Außengastronomie ist mehr als nur ein paar Möbelstücke auf dem Gehweg – rechtlich betrachtet kann sie eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstellen, insbesondere wenn sie mit Immissionen verbunden ist oder über die genehmigte Nutzungsart hinausgeht. Betreibende tun gut daran, sowohl straßen- als auch bauordnungsrechtliche Vorgaben im Blick zu behalten

Rechtsanwalt Marc Heidemann, Heidemann Partner, Schwerpunkt Verwaltungsrecht

RA Dipl. iur. Marc Heidemann

Marc Heidemann ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Verwaltungsrecht und in Hamburg tätig. Seine juristische Ausbildung absolvierte er an der Universität Hamburg, wo er sich intensiv mit den Bereichen Rechtspflege, Internationales Privatrecht, Insolvenzrecht sowie Zwangsvollstreckungs- und Kreditsicherungsrecht befasste. Sein Referendariat führte ihn an das Oberlandesgericht Celle mit einer verwaltungsrechtlichen Spezialisierung am Verwaltungsgericht Stade, insbesondere in den Bereichen Gewerberecht, Öffentliches Baurecht und Landwirtschaftsrecht. Zusätzlich erwarb er eine verwaltungsrechtliche Zusatzqualifikation an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. In seiner anwaltlichen Tätigkeit berät und vertritt Marc Heidemann Mandanten in verschiedenen Bereichen des Verwaltungsrechts. Schwerpunkte sind unter anderem das Waffenrecht, das Denkmalschutzrecht, das Schulrecht und das Baurecht. Er prüft die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten, begleitet Genehmigungsverfahren und vertritt Mandanten vor den zuständigen Verwaltungsgerichten. Dabei geht es oft um Fragen zu behördlichen Entscheidungen, die Auswirkungen auf die berufliche oder private Situation der Betroffenen haben. Marc Heidemann ist Mitglied der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg und setzt sich kontinuierlich mit aktuellen Entwicklungen im Verwaltungsrecht auseinander. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachartikel zu verwaltungsrechtlichen Themen.

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