Kürzung des Witwengeldes trotz Nichtkürzung des Ruhegehaltes zu Lebzeiten

In vielen Bundesländern ist die Hinterbliebenenversorgung von Beamten – insbesondere das sogenannte Witwen- bzw. Witwergeld – gesetzlich geregelt und kann im Falle eines Versorgungsausgleichs durch eine Kürzung betroffen sein, auch wenn das Ruhegehalt des Ehepartners vorher auf Antrag nicht gekürzt wurde, beispielsweise im Falle des Versterbens der berechtigten Person. In Hamburg etwa legt § 68 Absatz 3 des Hamburgischen Beamtenversorgungsgesetzes (HmbBeamtVG) genau fest, nach welchem Prinzip ein Rückausgleich auch auf das Witwen-, Witwergeld sowie Waisengeld anzuwenden ist und damit zu einer entsprechenden Kürzung führt 

Rückausgleich nur für eigenes Ruhegehalt wirksam

Soweit ein verstorbener Beamte zu Lebzeiten Rückausgleich erfolgreich beantragt hatte, kann sich dieser Antrag und der daraufhin erfolgte Rückausgleich nur auf sein eigenes Ruhegehalt, nicht jedoch auf die künftige Hinterbliebenenversorgung seiner Angehörigen beziehen.
Denn ein Antragsteller kann – schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen – immer nur in eigener Sache die Durchsetzung oder Wahrung individueller Rechte verfolgen.
Auch wenn sich das Recht auf Hinterbliebenenrente aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Beamten und dem Versorgungsträger ableitet, geht es keinesfalls kraft Rechtsnachfolge über, sondern vermittelt dem Hinterbliebenen ein eigenständiges Recht auf entsprechende Leistungen (Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 19. Mai 2017 – 2 K 26/16 –, Rn. 31 – 32, juris mit Verweis auf BSG, Urteil vom 20.03.2013 -B 5 R 2/12 R-, juris).

Eigenständiges Recht der Hinterbliebenenversorgung

Das VG Saarlouis schreibt hierzu:

„Der Umstand allein, dass zugunsten des verstorbenen Ehemannes der Klägerin aufgrund einer Härte (Vorversterben der geschiedenen Ehefrau) von einer Kürzung der Versorgung gemäß § 57 BeamtVG abgesehen worden war (sog. Rückausgleich), kann im Übrigen nicht dazu führen, dass ein entsprechender Härtegrund auch für die Klägerin anerkannt werden müsste. Vielmehr könnte eine Kürzung ihrer Hinterbliebenenversorgung nur dann unterbleiben, wenn in ihrer Person ebenfalls die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Absehen von der Kürzung erfüllt wären.“

(Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 19. Mai 2017 – 2 K 26/16 –, Rn. 28, juris).

Kein Übergang des Rückausgleichs auf Hinterbliebene

Soweit der verstorbene Beamte zu Lebzeiten den Rückausgleich erfolgreich beantragt hatte, konnten sich dieser Antrag und der daraufhin erfolgte Rückausgleich nur auf sein eigenes Ruhegehalt, nicht jedoch auf die künftige Hinterbliebenenversorgung seiner Angehörigen beziehen. Denn ein Antragsteller kann – schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen – immer nur in eigener Sache die Durchsetzung oder Wahrung individueller Rechte verfolgen. Auch wenn sich das Recht auf Hinterbliebenenrente aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Beamten und dem Versorgungsträger ableitet, geht es keinesfalls kraft Rechtsnachfolge über, sondern vermittelt dem Hinterbliebenen ein eigenständiges Recht auf entsprechende Leistungen (Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 19. Mai 2017 – 2 K 26/16 –, Rn. 31, juris).

Verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit

Das soll verfassungsrechtlich unbedenklich sein.
So geht das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich davon aus, dass allein die Existenz der Rentenanwartschaften der verstorbenen Ehefrau, zu einer Kürzung führen kann, weil das Rechtsinstitut vom Grundsatz des sofortigen Vollzugs geprägt ist. Deshalb kann grundsätzlich eine Kürzung auch bereits dann erfolgen, wenn die Rentenanwartschaft noch nicht in Anspruch genommen wird oder wie hier nie in Anspruch genommen werden konnte. Eine etwaige unterlassene Kürzung gilt nicht zu Gunsten der Hinterbliebenen.

Prinzip des sofortigen und endgültigen Vollzugs

Der Versorgungsausgleich führt damit zu Kürzungen der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Versorgungsbezüge und Anwartschaften des ausgleichspflichtigen Ehegatten und zur Übertragung entsprechender eigenständiger Anrechte auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten. Die Regelungen über den Versorgungsausgleich bestimmen dabei in mit dem Grundgesetz grundsätzlich vereinbarerweise Inhalt und Schranken des verfassungsrechtlichen Eigentums an Renten und Versorgungsanwartschaften (vgl. BVerfGE 53, 257 <295 ff.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. Mai 2014 – 1 BvL 9/12 und 1 BvR 1145/13 -, juris, Rn. 39). Insbesondere das Prinzip des sofortigen und endgültigen Vollzugs des Versorgungsausgleichs ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 53, 257 <301 f.>). Dass der Gesetzgeber das Prinzip des sofortigen und endgültigen Vollzugs des Versorgungsausgleichs mit der Einführung des Rentner- beziehungsweise Pensionistenprivilegs zunächst selbst teilweise durchbrochen hatte, war verfassungsrechtlich zwar vertretbar, aber nicht geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 1995 – 2 BvR 1762/92 -, juris, Rn. 20 f., 27). Der Gedanke, die spürbare Kürzung bei der ausgleichspflichtigen Person müsse sich, um mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar zu sein, für die ausgleichsberechtigte Person angemessen auswirken (vgl. BVerfGE 53, 257 <302>), steht der Kürzung der Versorgungsbezüge vor dem tatsächlichen Beginn des Rentenbezugs des ausgleichsberechtigten Ehegatten bereits deshalb nicht entgegen, weil die Teilung des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person hier unvermindert ihren Zweck erfüllt, der versorgungsausgleichsberechtigten Person ein eigenständiges Versorgungsanrecht zu verschaffen.

Ehe als Grundlage der Risikoverteilung

Dies gilt auch dann, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte verstorben ist, ohne Renten- oder Versorgungsleistungen erhalten zu haben.

Der Grund hierfür liegt in dem gemäß Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Institut der Ehe, das auch nach der Scheidung rechtliche Wirkungen entfaltet. Mit der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich wird das individuelle Risiko des frühen Versterbens endgültig und dauerhaft auf beide Ehegatten verteilt. Vor diesem Hintergrund besteht kein Bedürfnis für eine Härtefallregelung. Denn die aufgeteilten Renten- bzw. Versorgungsanwartschaften unterliegen mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs auch eigentums- bzw. beamtenrechtlich verschiedenen Schicksalen. Der Zweck des Versorgungsausgleichs wird hierdurch nicht verfehlt (Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 19. Mai 2017 – 2 K 26/16 –, Rn. 44 – 45, juris).

Bestätigung durch weitere Urteile

Weitere Urteile, die diese Auffassung bestätigen:

  • VG Ansbach 11. Kammer, 30. November 2016, AN 11 K 16.01380
  • VG Würzburg 1. Kammer, 14. Juni 2016, W 1 K 15.871
  • VG Düsseldorf 23. Kammer, 25. September 2014, 23 K 803/14

RA Dipl. iur. Marc Heidemann

Marc Heidemann ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Verwaltungsrecht und in Hamburg tätig. Seine juristische Ausbildung absolvierte er an der Universität Hamburg, wo er sich intensiv mit den Bereichen Rechtspflege, Internationales Privatrecht, Insolvenzrecht sowie Zwangsvollstreckungs- und Kreditsicherungsrecht befasste. Sein Referendariat führte ihn an das Oberlandesgericht Celle mit einer verwaltungsrechtlichen Spezialisierung am Verwaltungsgericht Stade, insbesondere in den Bereichen Gewerberecht, Öffentliches Baurecht und Landwirtschaftsrecht. Zusätzlich erwarb er eine verwaltungsrechtliche Zusatzqualifikation an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. In seiner anwaltlichen Tätigkeit berät und vertritt Marc Heidemann Mandanten in verschiedenen Bereichen des Verwaltungsrechts. Schwerpunkte sind unter anderem das Waffenrecht, das Denkmalschutzrecht, das Schulrecht und das Baurecht. Er prüft die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten, begleitet Genehmigungsverfahren und vertritt Mandanten vor den zuständigen Verwaltungsgerichten. Dabei geht es oft um Fragen zu behördlichen Entscheidungen, die Auswirkungen auf die berufliche oder private Situation der Betroffenen haben. Marc Heidemann ist Mitglied der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg und setzt sich kontinuierlich mit aktuellen Entwicklungen im Verwaltungsrecht auseinander. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachartikel zu verwaltungsrechtlichen Themen.

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