Mietwagen- oder Taxikonzession trotz strafrechtrechtlicher Verurteilung?

Personenbeförderungsrecht: fehlende Zuverlässigkeit wegen abgeurteilter Straftaten?

Bei einer Verurteilung wegen schwerer Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften (Zu den Kriterien: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 15. September 2008 – 3 Bs 26/08 – juris Rdnr. 4; VG Hamburg, Beschluss vom 8. Februar 2011 – 15 E 3269/10 und 3326/10 –, juris Rdnr. 7 ff.) wird oft eine Konzession nach dem Personenbeförderungsrecht nicht erteilt. Insbesondere, wenn es noch eine Eintragung im Bundeszentralregister gibt, wird die Erteilung oder Verlängerung einer Konzession für das Mietwagen- oder Taxengewerbe allein deshalb verweigert. Dies beruht jedoch auf einer veralteten Rechtsprechung, die allein die Eintragung im Bundeszentralregister als ausreichend betrachtete. Dies ist jedoch nicht mehr ohne Weiteres rechtmäßig. Vielmehr sind die einzelnen Umstände der Tat und der Entwicklung des Antragstellers nach der Verurteilung bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit durch die Behörde mit zu berücksichtigen. Als Anwalt mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht in Hamburg berate ich Sie zu diesem Thema gerne bundesweit.

kein unmittelbarer Bezug zu der in Rede stehenden Tätigkeit erforderlich

Ohne Bedeutung ist zunächst, dass die Verurteilung keinen unmittelbaren Bezug zu der in Rede stehenden unternehmerischen Tätigkeit der Antragstellerin aufweist (vgl. hierzu OVG Hamburg, Beschluss vom 02.03.2007, 1 Bs 340/06, juris Rn. 3). Die PBZugV verlangt einen solchen Zusammenhang nicht. Er liegt auch nicht etwa in der Natur der Sache. Denn Unzuverlässigkeit bezeichnet einen persönlichen Mangel, welcher die Vertrauensunwürdigkeit des Betreffenden dartut (vgl. schon BVerwG, Urteil vom 26.1.1962, VII C 37.60, BVerwGE 13, 326 [327]).

Schluss auf das Fehlen der Zuverlässigkeit kann ausnahmsweise nicht tragfähig sein

Nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1 PBZugV müssen die in Satz 2 der Vorschrift beispielhaft („insbesondere“) aufgeführten Anhaltspunkte „hinreichend dafür vorliegen“, dass die genannten betriebs- oder unternehmensführungsbezogenen Verstöße, Schädigungen oder Gefährdungen eintreten. Die rechtskräftige Verurteilung wegen schwerer Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften führt daher anders als bei der Geltung von § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefGBZV („die Zuverlässigkeit ist zu verneinen“) nicht mehr zur Fiktion der personenbeförderungsrechtlichen Unzuverlässigkeit des Verurteilten.

Steht der Annahme der Zuverlässigkeit entgegen, dass die Verurteilung im Bundeszentralregister vermerkt ist?

Nein. Derartiges kann nicht aus dem mit § 1 PBZugV umgesetzten EU-Recht hergeleitet werden (so noch, unter Bezugnahme auf die — durch die Richtlinie 98/76/EG vom 1. Oktober 1998 geänderte — Richtlinie 96/56/EG, das Hamburgische Oberverwaltungsgericht im Beschluss vom 2. März 2007 – 1 Bs 340/16 –, Gewerbearchiv – GewArch – 2007, S. 253). Diese Rechtsprechung wurde aber überzeugend aufgegeben durch  das VG Hamburg in den Urteilen vom 9. November 2011 – 5 K 775/11 – und vom 28. Mai 2015 – 5 K 895/15 –, juris Rdnr. 29 ff. bzw. 37 ff., dort auch noch mit Hinweis auf Geltungsbereich und Normstruktur der aktuellen Verordnung [EG] Nr. 1071/2009 vom 21. Oktober 2009). 


Strafrechtliche Verurteilung aber jedenfalls ein Regelfall

Mit dem VG Hamburg wird allerdings das Vorliegen eines der Anhaltspunkte gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 PBZugV als Regelfall zu qualifizieren sein, in dem er auch als „hinreichend“ für die Annahme der Unzuverlässigkeit zu qualifizieren ist, es sei denn, ausnahmsweise lägen besondere individuelle Umstände vor (VG Hamburg, Urteil vom 9. November 2011, juris Rdnr. 58 f.). Auf die Möglichkeit von Ausnahmefällen deutet auch der — fehlerhaft und missverständlich formulierte — Hinweis des Verordnungsgebers auf die Notwendigkeit einer „sachgerechten Ermessensentscheidung der Behörde“ bei der Anwendung von § 1 PBZugV (so in der Bundesrats-Drucksache 257/00, S. 24 zu Absatz 2 der Ursprungsfassung, der dem heutigen Absatz 1 Satz 2 entspricht) hin, der als Appell zum verantwortungsvollem Gebrauch des Augenmaßes bei der Prognoseentscheidung, die betriebsbezogene Pflichterfüllung sei in Frage gestellt, zu verstehen ist. Denn jedenfalls wollte der Verordnungsgeber keine Regelung treffen, wonach eine rechtskräftige Verurteilung wegen schwerer Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften zwingend zur Annahme der Unzuverlässigkeit führt (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 09.11.2011, 5 K 775/11, juris, Rn. 59; VG Hamburg, Urteil vom 28. Mai 2015 – 5 K 859/15 –, Rn. 38, juris).

Voraussetzungen für einen als Ausnahmefall ohne hinreichenden Betriebsbezug zu bewertende besondere und einmalige Fallgestaltung, die der Verurteilung zugrunde liegt

Entscheidend kommt es bei der für die Zulässigkeitsbeurteilung zentralen Würdigung der Gesamtpersönlichkeit darauf an, ob der Betroffene eine allgemeine Neigung besitzt, die Gesetze zu missachten. Dann liegt nämlich ein charakterlicher Mangel vor, der auf eine Unzuverlässigkeit hinweist. Wird das festgestellt, dann besteht in der Tat die Gefahr, dass das Verhalten des Unternehmers sich nicht auf eine bestimmte Tätigkeit oder auf seine private Sphäre beschränkt, sondern die Befürchtung begründet, er werde auch künftig die in seinem Gewerbe zu beachtenden Vorschriften zum Schutze der Allgemeinheit oder seiner Arbeitnehmer vor Schäden und Gefahren verletzen und sich damit als nicht würdig des in ihn gesetzten Vertrauens erweisen (so das Bundesverwaltungsgericht – BVerwG – im Urteil vom 20. November 1970 – VII C 73.69 –, amtliche Entscheidungssammlung BVerwGE Bd. 36, S. 288 [290], in dem es die Zuverlässigkeit eines Güterkraftverkehrsunternehmers sogar auch nicht dadurch beeinträchtigt sah, „dass er eine Schwäche gegenüber dem Alkohol hat und infolge dieser Labilität nicht die Stärke aufbringt, sich in alkoholisiertem Zustand vom Lenkrad seines privaten Personenkraftwagens fernzuhalten“). Zwar ist die Betriebsbezogenheit einer Verfehlung weder im allgemeinen Gewerberecht noch im Personenbeförderungsrecht Voraussetzung für eine negative Zuverlässigkeitsprognose und besteht auch beispielsweise für das durch Straftaten geschädigte Vermögen Anderer eine tendenzielle Gefährdungslage auch im Bereich des Taxi- und Mietwagengewerbes. Die abgeurteilte Straftat muss sich deshalb in erheblichem Maße vom prognoserelevanten „Normalfall“ unterscheiden.

Wie verhält es sich mit länger zurückliegenden Straftaten?

Grundsätzlich gilt zwar, dass vergangene Straftaten, wenn sie einige Jahre zurückliegen, nicht ihre Eignung verlieren, die Unzuverlässigkeit des Antragstellers darzutun. (VG Hamburg, Beschluss vom 8. Februar 2011 – 15 E 3269/10 –, Rn. 11, juris). Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBZugV an die rechtskräftige Verurteilung anknüpft und nicht an die zugrunde liegende Straftat bzw. den Zeitpunkt ihrer Begehung (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 22.11.2007, 1 Bs 253/07).

Vieles spricht aber dafür,  insbesondere  im Lichte von Artikel 12 Absatz 1 GG die Analogie zu den §§ 34b Abs. 4 Nr. 1 und 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO und damit eine zeitliche Grenze von fünf Jahren vor Stellung des Antrags ziehen (Wird geprüft von VG Hamburg, Beschluss vom 8. Februar 2011 – 15 E 3269/10 –, Rn. 11, juris). 

RA Dipl. iur. Marc Heidemann

RA Marc Heidemann konzentriert sich auf das Verwaltungsrecht und deckt eine breite Palette an verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten ab. Seine Schwerpunkte liegen insbesondere im Waffenrecht, Denkmalschutzrecht und Baurecht. Bei verwaltungsrechtlichen Fragen bietet er zudem Unterstützung im Arbeits- und Zivilrecht. Entdecken Sie sein Fachwissen für Ihre rechtlichen Belange.

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