Grundsätzlich hohe Anforderungen bei Verschattung
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Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen einer Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten scheidet in der Regel aus, wenn die bauordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsflächen eingehalten werden (vgl. OVG Hamburg, B. v. 26.9.2007 – 2 Bs 188/07 -, NordÖR 2008, 73).
Geringerer Sozialabstand indiziert höhere Hürden
Aus den Reduzierungen der Mindestabstände in vielen Landesbauordnungen lässt sich schlussfolgern, dass die Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen sind, dass Maße von 0,4H in Hamburg oder 0,5H in Niedersachsen ausreichend sind, um die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen an den Zugang von Licht, Luft und Sonne, den Brandschutz und den „Sozialabstand“ zu sichern. Die gesetzgeberische Bewertung indiziert, dass der Nachbar ein mehr an Rücksichtnahme aus tatsächlichen Gründen nicht verlangen kann.
Dauer und Qualität von Belichtung nur bei Normierung erheblich
Weiterhin gilt, dass das Rücksichtnahmegebot eine bestimmte Dauer oder „Qualität“ der natürlichen Belichtung oder die unveränderte Beibehaltung einer insoweit zuvor gegebenen Situation nicht vorsieht. Etwas anderes kann gelten, wenn dies in der jeweiligen Landesbauordnung explizit vorgesehen ist.
Erdrückende Wirkung durch Verschattung?
Die Frage ob für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots unter dem Gesichtspunkt einer erdrückenden Wirkung Raum ist, wenn die erforderliche Tiefe der Abstandsfläche eingehalten wird, wird von der Rechtsprechung in der Regel offengelassen. Das Bundesverwaltungsgericht geht zwar in seiner Rechtsprechung davon aus, dass beide Rechtsvorschriften selbständig zu prüfen sind und das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme auch verletzt sein kann, wenn die landesrechtlichen Abstandsvorschriften eingehalten werden (Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 1999 – 4 B 128.98 -, BRS 62 Nr. 102 mit weiteren Nachweisen). Es ist aber davon auszugehen, dass eine unzumutbare erdrückende Wirkung eines Vorhabens gegenüber der Nachbarschaft regelmäßig ausscheidet, wenn dieses die vorgeschriebene Abstandsfläche wahrt.
Unabhängig davon sind die Voraussetzungen der Annahme einer erdrückenden Wirkung hoch. So erzeugt das Nebeneinander einer dreigeschossigen und einer eingeschossigen Bebauung – und die damit einhergehende Verschattung – noch keine erdrückende Wirkung (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 17.1.2002, a.a.O., S. 457).
Eine erdrückende Wirkung nimmt die Rechtsprechung deshalb erst an, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt. Dies setzt voraus, dass das Vorhaben dem Grundstück förmlich „die Luft nimmt“. Für den Nachbarn muss das Gefühl des „Eingemauertseins“ entstehen. Dies kann auch der Fall sein, wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird (Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. August 2005 – 10 A 3138/02 -, juris, Beschlüsse vom 13. Januar 2005 – 10 B 971/05 -, juris, vom 15. Mai 2002 – 7 B 558/02 -, juris, vom 21. März 2007 – 7 B 137/07 – und vom 28. März 2008 – 7 B 274/08 -).
Wenn aber beispielsweise die Firsthöhe des einen Gebäudes die Firsthöhe des anderen Gebäudes lediglich um 5 Meter überragt, ist dies in der Rechtsprechung nicht als ungewöhnlich anzusehen. Eine Differenz in diesen Größenordnungen ist häufig anzutreffen, z.B. weil Dächer unterschiedlich gestaltet sind oder weil ein Grundstückseigentümer die Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht ausnutzen kann oder will.
Wird ein Wohnhaus zu bestimmten Jahreszeiten von Verschattung durch ein Bauvorhaben betroffen sein, macht das dies Bauvorhaben nicht automatisch unzumutbar. In einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet muss immer damit gerechnet werden, dass Nachbargrundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es durch eine Bebauung zu einer Verschattung des eigenen Grundstücks bzw. von Wohnräumen kommt.
Letztlich kommt es bei der Frage der erdrückenden Wirkung durch Verschattung auf eine Einzelfallbetrachtung an. Die oft herangezogene DIN 5034-1:13 dürfte jedoch mangels Regelungsfokus („Einhaltung eines wohnhygienischen Aspektes“) und mangels wertender Einzelfallbetrachtung per se nicht geeignet sein, um eine erdrückende Wirkung durch Verschattung beurteilen zu können.