In der Sache 7 KN 21/20 beim Niedersächsischen OVG in Lüneburg hat der zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtsanwaltlich vertretene Antragsteller gegen eine Satzung Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Dieses erklärte sich durch Beschluss für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht.
Die Beklagte hielt die Klage für unzulässig. Sachlich zuständig für die Klage sei gemäß § 47 Abs. 1 VwGO von Beginn an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht gewesen. Dort und mit rechtsanwaltlicher Vertretung des Antragstellers sei der Rechtsstreit aber erst deutlich nach Ablauf der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO rechtshängig geworden. Die Klageerhebung vor dem Verwaltungsgericht reiche zur Wahrung der Frist nicht aus. Abweichendes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2019 (7 C 12/18), da dort vor dem Verwaltungsgericht eine Anfechtungsklage erhoben und – nach Verweisung – als solche auch vor dem Oberverwaltungsgericht fortgeführt worden sei. Vorliegend sei aber eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts für die Entscheidung über den Normenkontrollantrag des Antragstellers von Beginn an ausgeschlossen gewesen.
Problematisch war hier also, dass eine Klage, die vor dem Verwaltungsgericht garnicht hätte erhoben werden können, bei diesem erhoben wurde. Warum sollte dies die Klagefrist wahren, fragte sich der Beklagte in diesem Verfahren. Zudem herrscht vor dem OVG Anwaltszwang. Wie kann es sein, dass eine Klage, welche ohne anwaltliche Betreuung erhoben wurde und somit, selbst wenn sie vor dem OVG erhoben worden wäre, auch dort unzulässig gewesen wäre, letztlich doch zulässig ist? Wo kämen wir denn da hin, wenn jetzt jeder Satzungen ohne Anwalt vor dem VG angreift?
Das OVG Niedersachsen argumentierte hier jedoch bürgerfreundlich und ließ die Klage durchgehen.
Die Jahresfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sei eingehalten. Der Antragsteller habe deutlich fristgerecht Klage gegen die Satzung erhoben. Unerheblich sei es, dass die Klage vor dem sachlich unzuständigen Verwaltungsgericht und ohne rechtsanwaltliche Vertretung erhoben wurde. Maßgeblich sei nicht, ob die Klageerhebung den für das tatsächlich zuständige Gericht geltenden Anforderungen genügt, sondern dass sie den für das angerufene Gericht geltenden Bestimmungen gerecht wird. Sei dies der Fall und komme es zur Verweisung, entfalte die Klageerhebung die gleiche Wirkung wie die ordnungsgemäße Erhebung der Klage beim sachlich zuständigen Gericht (§ 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG, vgl. BVerwG, Urteil vom 19.12.2019 – 7 C 12.18 -, juris; Beschluss vom 10.04.2007 – 10 B 72.06 -, juris, jeweils m.w.N.; Meissner/Schenk in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Februar 2021, § 74, Rn. 32; Brenner in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 74, Rn. 30 f.). Die aus § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 75 NJG folgende sachliche Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts für Normenkontrollverfahren bringe zwar das Erfordernis einer Verweisung des Rechtsstreits nach § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG mit sich, berühre aber die Zulässigkeit der Klage nicht. Auch sonst sei die Klage vor dem Verwaltungsgericht ordnungsgemäß erhoben worden, insbesondere sehe § 67 VwGO keinen Vertretungszwang vor den Verwaltungsgerichten vor.
Die Entscheidung ist zu begrüßen und zeichnet sich durch Lebensnähe und Bürgerfreundlichkeit aus und steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes.
Es ist vollkommen sachgerecht, dass dem Kläger die mit der Klageerhebung vor dem unzuständigen Gericht und dem Eintritt der Rechtshängigkeit verbundenen vorteilhaften prozessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen als Ausdruck der Einheit des Verfahrens bei dem abgebenden und dem aufnehmenden Gericht weiterhin zugute kommen. Für die Annahme, der Eintritt der Rechtshängigkeit und deren Wirkungen müssten einer neuen Prüfung am Maßstab der für das Verfahren vor dem aufnehmenden Gericht geltenden Regelungen unterzogen werden, ist aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten und wegen der Gewichtigkeit des Allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs kein Raum.