Checkliste zur Ersatzvornahme im Werkvertragsrecht
Inhaltsverzeichnis
Die Ersatzvornahme im Werkvertragsrecht ermöglicht es dem Besteller, Mängel auf Kosten des Unternehmers selbst zu beseitigen, wenn dieser seiner Nachbesserungspflicht nicht nachkommt. Die Ersatzvornahme stellt sicher, dass der Besteller nicht auf den Kosten für die Mangelbeseitigung sitzen bleibt, wenn der Unternehmer seinen Pflichten nicht nachkommt. Es ist jedoch essenziell, die genannten Schritte sorgfältig zu befolgen und alle Maßnahmen, insbesondere Fristsetzungen und Mängelrügen, schriftlich zu dokumentieren, um im Streitfall klare Nachweise zu haben.Die folgenden Schritte dienen als Checkliste für die Durchführung einer Ersatzvornahme gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 BGB. Als Anwalt für Verwaltungsrecht und öffentlichem Baurecht begleite ich Sie hierbei gerne.
Bei mangelhafter Werkleistung sollte der Besteller stets schriftlich eine Frist zur Nachbesserung setzen. Nur so kann er später rechtssicher eine Ersatzvornahme durchführen und die Kosten vom Unternehmer zurückfordern.“
Rechtsanwalt Heidemann, Anwalt Verwaltungsrecht
Beispiele für die Ersatzvornahme:
- Beispiel 1: Unvollständige Arbeiten Ein Malerbetrieb wird beauftragt, alle Wände eines Wohnzimmers zu streichen. Nach Abschluss der Arbeiten stellt der Besteller fest, dass eine Wand unbehandelt blieb. Trotz mehrfacher Aufforderung und Fristsetzung verweigert der Maler die Fertigstellung. Der Besteller lässt die fehlende Wand von einem anderen Maler streichen und verlangt die entstandenen Kosten vom ursprünglichen Unternehmer zurück.
- Beispiel 2: Mängel in der Arbeit Ein Tischler liefert einen maßgefertigten Einbauschrank, dessen Türen sich jedoch nicht richtig schließen lassen. Nach Setzen einer angemessenen Frist zur Nachbesserung ohne Reaktion des Tischlers beauftragt der Besteller einen anderen Fachmann mit der Reparatur und fordert die Kosten vom ursprünglichen Tischler ein.
- Beispiel 3: Verzögerungen im Bauprozess Ein Bauunternehmer verpflichtet sich, bis zu einem bestimmten Datum das Fundament für ein Haus zu legen. Nach mehrfachen Verzögerungen und erfolglosen Fristsetzungen übernimmt ein anderer Unternehmer die Arbeiten, um den Baufortschritt nicht weiter zu gefährden. Die zusätzlichen Kosten werden vom ursprünglichen Bauunternehmer eingefordert.
Welche Kosten kann der Besteller für die Ersatzvornahme vom Unternehmer zurückverlangen?
Gemäß § 637 Abs. 1 BGB kann der Besteller die notwendigen Aufwendungen für die Mängelbeseitigung vom ursprünglichen Unternehmer ersetzt verlangen. Dazu gehören insbesondere die Kosten für die Beauftragung eines anderen Handwerkers zur Mangelbeseitigung, einschließlich der Arbeits- und Materialkosten. Falls der Besteller die Mängelbeseitigung selbst durchführt, kann er die Materialkosten wie etwa Fliesen, Farbe oder Dichtungsmittel geltend machen.
Darüber hinaus sind auch Transport- und Entsorgungskosten erstattungsfähig, wenn fehlerhafte Bauteile ersetzt und entsorgt werden müssen. Falls ein Sachverständiger zur Beweissicherung oder zur Klärung der Mängelursache hinzugezogen wurde, können auch die Gutachterkosten in Rechnung gestellt werden. Sollte der Mangel dazu führen, dass der Besteller vorübergehend ein Ersatzgerät anmieten muss – beispielsweise ein Heizgerät bei einer defekten Heizungsanlage –, sind auch diese Kosten erstattungsfähig.
Wichtig ist, dass die entstandenen Kosten erforderlich und angemessen sind. Der Besteller darf keine überhöhten Preise akzeptieren oder unnötige Zusatzleistungen beauftragen. Maßgeblich ist der übliche Marktpreis für die jeweilige Leistung. Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollte der Besteller dem Unternehmer vor der Ersatzvornahme eine letzte Möglichkeit zur Erfüllung geben und ihn über die geplanten Kosten informieren. Dies erhöht die Rechtssicherheit, falls es später zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt.
Wirksamer Vertrag und Vorliegen eines Sachmangels zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs
Es muss ein gültiger Werkvertrag zwischen Besteller und Unternehmer vorliegen. Dabei schuldet der Unternehmer einen konkreten Erfolg, der vertraglich vereinbart wurde. Der Leistungsgegenstand muss bei Übergabe an den Besteller einen Sachmangel aufweisen, d.h., die Ist-Beschaffenheit entspricht nicht der vereinbarten Soll-Beschaffenheit. Hier ist es wichtig, alle Mängel zu dokumentieren und in Voraussicht auf ein etwaiges Klageverfahren in einem PDF Dokument zu sammeln und zu erläutern.
Kein Ausschluss der Gewährleistung
Die Gewährleistungsrechte dürfen nicht ausgeschlossen sein, weder durch: (1) Abnahme ohne Vorbehalt: Hat der Besteller das Werk ohne Vorbehalt abgenommen, könnten Gewährleistungsansprüche gemäß § 640 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sein. (2) Vertragliche Vereinbarungen: Ein vertraglicher Ausschluss der Gewährleistung ist möglich, kann jedoch gemäß § 639 BGB oder aufgrund unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) nach § 309 Nr. 8 b) BGB unwirksam sein.
Erfolgloser Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung
Der Besteller muss dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung setzen. Verstreicht diese Frist ohne erfolgreiche Nachbesserung, kann der Besteller die Ersatzvornahme durchführen. In bestimmten Fällen ist die Fristsetzung entbehrlich, etwa wenn der Unternehmer die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert oder besondere Umstände vorliegen (§ 637 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Setzen Sie dem Unternehmer eine schriftliche Frist (z. B. 14 Tage oder drei Wochen) und schicken Sie das Schreiben nachweislich per Einschreiben und zusätzlich per E-Mail mit Lesebestätigung. In der Fristsetzung sollten Sie das genaue Problem schildern und bereits darauf hinweisen, dass Sie nach Fristablauf eine Ersatzvornahme durchführen werden
Beispiel für ein Schreiben:
Max Mustermann
Musterstraße 1
12345 Musterstadt
Telefon: 01234-567890
E-Mail: max.mustermann@email.deHandwerksbetrieb Müller GmbH
z. Hd. Herrn Peter Müller
Bauweg 10
54321 HandwerkerstadtMusterstadt, den 24. Februar 2025
Betreff: Aufforderung zur Nacherfüllung mit Fristsetzung gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 BGB
Sehr geehrter Herr Müller,
am 10. Januar 2025 haben wir mit Ihrem Unternehmen einen Werkvertrag über die Erneuerung des Badezimmers in unserer Wohnung abgeschlossen. Die Arbeiten wurden am 5. Februar 2025 als abgeschlossen gemeldet.
Leider mussten wir feststellen, dass die erbrachte Leistung Mängel aufweist:
- Die Dusche ist undicht, sodass Wasser unter die Fliesen läuft.
- Die Armatur am Waschbecken ist lose und wackelt, obwohl sie fest montiert sein sollte.
- Die Silikonfugen wurden unsauber verarbeitet und weisen bereits Risse auf.
Da diese Mängel nicht dem vertraglich vereinbarten Zustand entsprechen, machen wir hiermit unser Recht auf Nacherfüllung gemäß §§ 634, 635 BGB geltend.
Wir fordern Sie daher auf, die oben genannten Mängel
binnen drei Wochen
ordnungsgemäß zu beseitigen. Bitte setzen Sie sich umgehend mit uns in Verbindung, um einen Termin für die Nachbesserung zu vereinbaren. Sollten Sie länger benötigen, teilen Sie uns hierfür die sachlichen Gründe mit, damit wir eine Lösung finden können.
Sollten Sie keine Rückmeldung geben und diese Frist ungenutzt verstreichen lassen oder die Mängelbeseitigung verweigern, werden wir gemäß § 637 BGB eine Ersatzvornahme auf Ihre Kosten durchführen lassen. Die dadurch entstehenden Aufwendungen werden wir Ihnen in Rechnung stellen bzw. mit offenen Forderungen verrechnen.
Wir erwarten Ihre schriftliche Rückmeldung, ob und wann Sie die Nachbesserung durchführen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Max Mustermann
Durchführung der Mangelbeseitigung durch den Besteller nach Fristablauf oder Einforderung einer Vorschusszahlung zur Mangelbehebung
Nach fruchtlosem Fristablauf ist der Besteller berechtigt, den Mangel selbst oder durch einen Dritten beseitigen zu lassen. Die dabei entstehenden Aufwendungen kann er vom Unternehmer ersetzt verlangen (§ 637 Abs. 1 BGB). Er kann auch einen Vorschuss fordern.
Hier ein Beispiel für eine Vorschussforderung nach Fristablauf:
Max Mustermann
Musterstraße 1
12345 Musterstadt
Telefon: 01234-567890
E-Mail: max.mustermann@email.deHandwerksbetrieb Müller GmbH
z. Hd. Herrn Peter Müller
Bauweg 10
54321 HandwerkerstadtMusterstadt, den 24. Februar 2025
Betreff: Aufforderung zur Zahlung eines Vorschusses für die Mängelbeseitigung
Sehr geehrter Herr Müller,
am 10. Januar 2025 haben wir mit Ihrem Unternehmen einen Werkvertrag über die Erneuerung des Badezimmers in unserer Wohnung geschlossen. Die Arbeiten wurden am 5. Februar 2025 als abgeschlossen gemeldet.
Wie bereits mehrfach mitgeteilt, sind folgende Mängel an der ausgeführten Leistung aufgetreten:
- Die Dusche ist undicht, sodass Wasser unter die Fliesen läuft.
- Die Armatur am Waschbecken ist lose und wackelt, obwohl sie fest montiert sein sollte.
- Die Silikonfugen wurden unsauber verarbeitet und weisen bereits Risse auf.
Trotz mehrfacher Aufforderung und einer Fristsetzung von drei Wochen, um die Mängel zu beheben, haben wir bis heute keine Nachbesserung erhalten. Wir sehen uns daher gezwungen, die Mängelbeseitigung selbst durch einen anderen Handwerker durchführen zu lassen, um weiteren Schaden zu vermeiden.
In diesem Zusammenhang fordern wir Sie hiermit auf, einen Vorschuss in Höhe von 500 EUR für die voraussichtlichen Mängelbeseitigungsarbeiten zu zahlen. Dieser Betrag dient der Deckung der initialen Kosten, die für die Beauftragung eines Fachunternehmens erforderlich sind. Die genaue Summe wird nach Durchführung der Arbeiten und auf Grundlage der tatsächlich entstandenen Kosten ermittelt und Ihnen in Rechnung gestellt.
Bitte überweisen Sie den Vorschuss binnen von 14 Tagen auf das folgende Konto:
Bank: Musterbank
IBAN: DE12345678901234567890
BIC: MUSWDEMMXXXSollten wir bis zum genannten Datum keinen Vorschuss erhalten, sehen wir uns leider gezwungen, die Mängelbeseitigung ohne weitere Mitteilung fortzuführen und Ihnen die gesamten Kosten in Rechnung zu stellen.
Wir erwarten Ihre Rückmeldung und die Zahlung des Vorschusses innerhalb der genannten Frist.
Mit freundlichen Grüßen
Max Mustermann
Musterschreiben Vorschuss für Ersatzvornahme
Wann ist eine Fristsetzung entbehrlich?
Grundsätzlich muss der Besteller dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung setzen, bevor er eine Ersatzvornahme durchführen kann.
An die Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach diesen Vorschriften sind wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Nacherfüllungsrecht des Unternehmers strenge Anforderungen zu stellen (OLG Stuttgart, Urteil vom 11.07.2019 – 13 U 230/18, BeckRS 2019, 43603, Rn. 66; BeckOK-BGB/Voit, 67. Ed. 1.11.2022, § 637 BGB, Rn. 4).
Es gibt jedoch Situationen, in denen diese Fristsetzung nach § 637 Abs. 2 Satz 2 BGB entbehrlich ist. Das bedeutet, dass der Besteller sofort eine Ersatzvornahme durchführen kann, ohne dem Unternehmer vorher eine Chance zur Nachbesserung zu geben. Es ist aber zu beachten, dass dies nur unter engen Voraussetzungen möglich ist. Dies ist in folgenden Fällen möglich:
Ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nacherfüllung durch den Unternehmer
Wenn der Unternehmer bereits ausdrücklich oder durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass er nicht bereit ist, die Mängelbeseitigung vorzunehmen, ist eine Fristsetzung überflüssig. Eine eindeutige Weigerung kann beispielsweise vorliegen, wenn der Unternehmer schriftlich mitteilt, dass er sich nicht für den Mangel verantwortlich fühlt oder wenn er sich trotz mehrfacher Aufforderung überhaupt nicht mehr meldet.
Unzumutbarkeit der Fristsetzung für den Besteller
Wenn es dem Besteller nicht zugemutet werden kann, dem Unternehmer noch eine Frist einzuräumen, entfällt diese Voraussetzung ebenfalls. Das kann der Fall sein, wenn der Unternehmer bereits mehrfach mangelhaft gearbeitet hat oder wenn die Fristsetzung zu einer unverhältnismäßigen Verzögerung führen würde, beispielsweise wenn ein Bauvorhaben sich dadurch erheblich verzögern würde. Unzumutbarkeit liegt vor, wenn aus Sicht des Bestellers aufgrund objektiver Umstände das Vertrauen auf eine ordnungsgemäße Durchführung der Mängelbeseitigung erschüttert ist (Palandt/Sprau, a.a.O., § 636 BGB Rn. 26). Beispielsfälle für eine solche Unzumutbarkeit sind die Konstellationen, in denen die Mängel so zahlreich und gravierend sind, dass das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Unternehmers zu Recht nicht mehr besteht (vgl. BGH, Urteil vom 08.12.1966, VII ZR 144/64, BGHZ 46, 243, 245; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.08.1996, 22 U 42/96, NJW-RR 1997, 20, 21) oder bereits mehrere Nachbesserungsversuche ohne den gewünschten Erfolg geblieben sind (insgesamt hierzu Kniffka in Kniffka/Koeble, a.a.O. Rz. 131.). Die Insolvenz des Auftragnehmers macht eine Fristsetzung nicht ohne weiteres entbehrlich, da der Insolvenzverwalter grundsätzlich auch die Erfüllung wählen kann, wobei jedoch etwas anderes gelten kann, wenn der Insolvenzverwalter wegen der fehlenden Masse mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Erfüllung gewählt hätte (Kniffka a.a.O. m.w.N.). Weitere Gesichtspunkte (nicht abschließend) können sein:
Anhaltspunkte für ein arglistiges, d.h. vorsätzliches Verschweigen von Mängeln.
Dies kann der Fall sein, wenn Mängel „sehenden Auges“ produziert werden (Vgl. LG Ellwangen, Urteil vom 9. Oktober 2023 – 6 O 93/23 –, Rn. 37, juris).
In ungewöhnlicher Häufigkeit gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen
Hier müssen die Verstöße zu gravierenden Mängel geführt haben und der Besteller deshalb das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Unternehmers endgültig verloren haben (BeckOGK/Rast, Stand: 1.4.2023, § 637 BGB, Rn. 88 m.w.N.).
In der Praxis sollte der Besteller, wenn möglich, vor einer Ersatzvornahme die Entbehrlichkeit der Fristsetzung gut dokumentieren. Dazu gehören etwa Fotos, Gutachten oder Zeugen, die die Dringlichkeit oder die Verweigerung der Nachbesserung belegen. Falls es später zu einem Rechtsstreit kommt, ist dies ein entscheidender Nachweis für die Berechtigung der Ersatzvornahme ohne vorherige Fristsetzung.
Aber Achtung: Im Einzelfall kann, wenn sich der Auftraggeber auf eine Fallgestaltung stützt, in der es einer Fristsetzung nicht bedarf, das weitere Verhalten des Auftragnehmers vor Geltendmachung der Gewährleistungsrechte durch den Auftraggeber dazu führen, dass eine Fristsetzung wieder erforderlich wird (vgl. BGH, Urteil vom 5.7.1990, VII ZR 352/98 = NJW-RR 1990, 1300); allein der Umstand, dass nochmals Nacherfüllung angeboten hat, lässt im Einzelfall aber nicht die Umstände zurücktreten, die zu einem massiven Vertrauensverlust und damit zu einer Unzumutbarkeit der Nacherfüllung geführt haben.
Keine berechtigten Einreden des Unternehmers
Der Unternehmer darf keine berechtigten Einreden gegen den Anspruch auf Aufwendungsersatz haben, wie etwa ein Zurückbehaltungsrecht oder die Einrede der Verjährung.
Weiteres Vorgehen
Nach Fristablauf und Ersatzvornahme bietet es sich in der Regel an, ein kostensparendes Mahnverfahren durchzuführen. Nach einem Einspruch im Mahnverfahren, muss der Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden. Hierbei vertrete ich Sie gerne.