Wann begründet die planbedingte Zunahme von Verkehrslärm die Antragsbefugnis für eine Normenkontrollklage eines Nachbarn außerhalb des Plangebietes?

Als Nachbar außerhalb des Plangebietes gegen B-Plan vorgehen wegen erhöhtem Verkehrslärm?

Nachbarn von neubeplanten Gebieten bringen das Argument des erhöhten Verkehrslärms durch die Neubeplanung gerne ins Spiel. Im Folgenden sollen die Anforderungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit an die Antragsbefugnis eines solchen Nachbarn dargelegt werden.

Normenkontrollantrag auch für Nachbarn außerhalb des Plangebiets möglich

Eigentümer eines Grundstücks außerhalb des Plangebiets des streitgegenständlichen Bebauungsplans können sich grundsätzlich ebenfalls auf eine mögliche Verletzung des bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB) berufen. 

Denn nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. 

Das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Das Abwägungsgebot verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend berücksichtigt werden. Der Antragsteller in einem Normenkontrollverfahren kann sich deshalb im Rahmen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch darauf berufen, dass seine abwägungsrelevanten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. Es genügt hierzu, dass der Antragsteller substantiiert Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen (BVerwG, U.v. 16.6.2011 – 4 CN 1.10 – BVerwGE 140, 41 = juris Rn. 12 ff. m.w.N.; BayVGH, U.v. 11.5.2010 – 15 N 08.850 – juris Rn. 26). Die Abwägungsbeachtlichkeit beschränkt sich dabei auf solche schutzwürdigen – planbedingten – Betroffenheiten, die erstens mehr als geringfügig, zweitens in ihrem Eintritt zumindest wahrscheinlich und drittens für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungsbeachtlich erkennbar sind (BVerwG, B.v. 14.9.2015 – 4 BN 4.15 – ZfBR 2016, 154 = juris Rn. 10; B.v. 30.11.2016 – 4 BN 16.16 – NVwZ 2017, 563 = juris Rn. 7; B.v. 21.12.2017 – 4 BN 12.17 – BauR 2018, 667 = juris Rn. 7 m.w.N., B.v. 12.12.2018 – 4 BN 22.18 – ZfBR 2019, 272= juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 15 NE 16.2226 – juris Rn. 15 m.w.N.; U.v. 17.12.2018 – 15 N 16.2373 u.a. – juris Rn. 41; B.v. 8.5.2019 u.a. – 15 NE 19.551 – juris Rn. 21 m.w.N.; OVG NRW, U.v. 9.10.2018 – 2 D 22/17.NE – BauR 2019, 508 = juris Rn. 22 m.w.N.; U.v. 29.11.2019 – 7 D 81/17.NE – juris R. 25).

Reines Interesse an Beibehaltung des bestehenden Zustandes begründet für sich keine Antragsbefugnis

Das schlichte Interesse als Eigentümer benachbarter Grundstücke an der Beibehaltung des bestehenden Zustandes begründet keine Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan.

Ein abwägungsrelevantes Fortbestandsinteresse ist lediglich im Fall der Änderung eines bestehenden Bebauungsplans denkbar, wenn die Änderung gerade solche Festsetzungen betrifft, die ein schutzwürdiges Vertrauen der Nachbarschaft darauf begründet haben, dass Veränderungen, die sich für sie mehr als nur geringfügig nachteilig auswirken, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden (vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2019 – 15 N 18.636 – juris Rn. 18 m.w.N.). Eine ruhige oder bislang „isolierte“ Wohnlage, die einem an den bisherigen Außenbereich angrenzenden Grundstück im Allgemeinen zukommen mag, begründet als solche aber grundsätzlich keine Antragsbefugnis. Einen Rechtsanspruch oder auch nur ein schutzwürdiges Interesse auf Beibehaltung einer Ortsrandlage gibt es insoweit nämlich nicht (vgl. BVerwG, U.v. 21.10.1999 – 4 CN 1.98 – NVwZ 2000, 807 = juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 10.2.2012 – 15 NE 11.2857 – juris Rn. 5; B.v. 19.8.2016 – 9 NE 16.1512 – juris Rn. 15)

Lärmzunahme aufgrund vermehrter Wohnnutzung nicht abwägungsrelevant

Lärmerhöhung aufgrund des schlichten Wohnens (z.B. infolge herkömmlicher Kommunikation der Bewohner oder infolge der auch freizeitbezogenen Nutzung von Garten- und sonstigen Freibereichen) kommt, begründet keine Antragsbefugnis. Solche Geräusche, die als typische, sozialadäquate Lebensäußerungen mit jeder Wohnnutzung verbunden sind, sind nicht abwägungsrelevant (BayVGH, Urteil vom 09. März 2020 – 15 N 19.210 –,juris, Rn. 30).

Verkehrslärm ist Abwägungsrelevant und begründet Antragsbefugnis

Lärmschutzbelange von durch Bauplanung betroffener Plannachbarn sind grundsätzlich dann in die Abwägung einzubeziehen, wenn die Lärmbelastung – z.B. aufgrund der zu prognostizierenden zusätzlichen Verkehrsbelastung – infolge des Bebauungsplans ansteigt (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2013 – 4 BN 39.12 – BayVBl. 2013, 545 = juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 24.11.2017 – 15 N 16.2158 – BayVBl. 2018, 814 = juris Rn. 24 m.w.N.). 

Erheblichkeit der zu erwartenden Lärmbelastung erforderlich

Das Interesse, von planbedingtem Verkehrslärm verschont zu bleiben, ist allerdings nur dann ein abwägungserheblicher Belang, wenn das entsprechende Grundstück über die Bagatellgrenze hinaus betroffen wird. 

Die Abwägungsrelevanz ist zu verneinen, wenn das Interesse, vor einer Verkehrslärmzunahme bewahrt zu bleiben, so gering bewertet werden muss, dass es als planungsrechtlich vernachlässigt werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 8.6.2004 – 4 BN 19.04 – BauR 2005, 829 = juris Rn. 6; B.v. 11.8.2015 – 4 BN 12.15 – BRS 83 Nr. 49 = juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 16.5.2017 – 15 N 15.1485 – BayVBl. 2019, 307 = juris Rn. 23 m.w.N.; U.v. 24.11.2017 a.a.O. juris Rn. 24 m.w.N.). Wann das der Fall ist, lässt sich nicht anhand fester Maßstäbe beurteilen; die Frage ist jeweils unter Würdigung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2017 – 4 BN 35.17 – BRS 85 Nr 193; BayVGH, B.v. 3.3.2017 – 15 NE 16.2315 – NVwZ-RR 2017, 558 = juris Rn. 17; U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris Rn. 31, 48; U.v. 16.5.2017 a.a.O. juris Rn. 22 ff.; U.v. 24.11.2017 a.a.O. juris Rn. 24).“ (Rn 18).

Beispiele für Unterschreiten der Bagatellgrenze

Hinzukommen von 20-30 Wohnhäusern

Kein Überschreiten der Bagatellgrenze hat die Rechtsprechung vor allem in Fällen einer durch das Hinzukommen von nur wenigen Wohnhäusern verursachten Verkehrslärmbelastung angenommen. Das Bundesverwaltungsgericht hat beispielsweise den durch einen Bebauungsplan prognostizierten zusätzlichen Verkehr von 20 bis 30 Einzel- oder Doppelwohnhäusern für unerheblich gehalten und die Antragsbefugnis der Antragsteller verneint (vgl. BVerwG, U.v. 21.10.1999 – 4 CN 1.98 – NVwZ 2000, 807 = juris Rn. 17; ähnlich BayVGH, B.v. 19.8.2016 – 9 NE 16.1512 – juris Rn. 15; VGH BW, U.v. 21.4.2015 – 3 S 748/13 – NuR 2015, 647 = juris Rn. 28; OVG SA, B.v. 8.1.2015 – 2 R 94/14 – UPR 2015, 232 = juris Rn. 27).

HessVGH: Verkehrszunahme von 200 Fahrzeugbewegungen ist noch geringfügig

Die Zunahme des Verkehrs von bis zu 200 Fahrzeugbewegungen täglich (unter Zugrundelegung eines Wertes von je 1,5 Fahrzeugen mit 2,5 Fahrzeugbewegungen täglich bzw. 3,75 Fahrzeugbewegungen je Bewohner pro Wohneinheit ist noch als geringfügig zu bewerten (So HessVGH, U.v. 29.06.2016 – 4 C 1440/14.N – ZfBR 2016, 803 = juris 38 m.w.N. sowie die weiteren Nachweise bei HessVGH, U.v. 17.8.2017 – 4 C 2760/16.N – ZfBR 2018, 77 = juris Rn. 24).

Die Verwaltungsgerichte folgen dieser Linie unter dem Vorbehalt der Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalls grundsätzlich. Vereinzelt wird ein Zuschlag von 2 Fahrten pro Wohneinheit am Tag für Besucher-, Versorgungs- und Dienstleistungsverkehr vorgenommen (BVerwG, B.v. 24.8.2017 – 4 BN 35.17 – BRS 85 Nr 193 = juris Rn. 6; vgl. OVG Rh-Pf, U.v. 18.4.2018 – 1 C 11559/16 – juris Rn. 29 ff.).

Fazit

Möchten Sie sich gegen die Zunahme von Verkehrslärm durch einen Bebauungsplan als Nachbar außerhalb des Plangebietes wehren, ist eine eingehende Prüfung durch einen Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht empfehlenswert und aber auch vor allem Zurückhaltung geboten. Die hier dargelegte Bagatellgrenze verläuft fließend und entzieht sich jeder Schematisierung. Eine Prüfung der konkreten Gegebenheiten vor Ort ist unabdingbar.

RA Dipl. iur. Marc Heidemann

RA Marc Heidemann konzentriert sich auf das Verwaltungsrecht und deckt eine breite Palette an verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten ab. Seine Schwerpunkte liegen insbesondere im Waffenrecht, Denkmalschutzrecht und Baurecht. Bei verwaltungsrechtlichen Fragen bietet er zudem Unterstützung im Arbeits- und Zivilrecht. Entdecken Sie sein Fachwissen für Ihre rechtlichen Belange.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *