Das Haltungs- und Betreuuungsverbot im Tierschutzrecht

Das Haltungs- und Betreuuungsverbot im Tierschutzrecht: ein scharfes Schwert

Tierhaltungs- und Betreuungsverbote gemäß §16a des Tierschutzgesetzes sind drastische Maßnahmen zum Schutz des Wohlergehens von Tieren. Diese Verbote greifen in Fällen schwerwiegender Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen, um das Leiden von Tieren zu verhindern. Ihr Zweck, die Sicherstellung einer angemessenen Pflege und Betreuung, steht im Fokus, um das Wohlbefinden der Tiere zu gewährleisten.

a) Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage für das Verbot der Haltung und Betreuung von Tieren ist § 16a Satz 1 i. V. m. Satz 2 Nr. 3 Halbs. 1 Alt. 1 TierSchG.

Hiernach trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Insbesondere kann sie demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG, einer Anordnung nach Nr. 1 oder einer Rechtsverordnung nach § 2a TierSchG wiederholt oder grob zuwiderhandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, unter anderem das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten Art untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. 

b) Maßgeblicher Zeitpunkt

Die Rechtmäßigkeit eines tierschutzrechtlichen Haltungs- und Betreuungsverbotes bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung.

Bei dem hier behandelten Verbot handelt es sich zwar um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass es auf den Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung ankommt. 

Der maßgebliche Zeitpunkt richtet sich vielmehr nach dem materiellen Recht (BVerwG, Beschl. v. 23.11.1990 – BVerwG 1 B 155.90 -, juris, Rdnr. 3, und Urt. v. 29.3.1996 – BVerwG 1 C 28.94 -, juris, Rdnr.15).

Die hier maßgebliche Vorschrift des § 16a Satz 2 Nr. 3 TierSchG weist Parallelen zur Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO auf. Sie sieht wie bei der Gewerbeuntersagung ein getrenntes Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren vor. In derartigen getrennten Verfahren muss sich der Betroffene darauf verweisen lassen, etwaige nachhaltige Verbesserungen in der Sach- und Rechtslage zu seinen Gunsten in einem dem Untersagungsverfahren nachfolgenden gesonderten Wiedergestattungsverfahren geltend zu machen (BVerwG, Urt. v. 15.4.2015 – BVerwG 8 C 6.14 -, BVerwGE 152,39, juris, Rdnr.15, zum Gewerberecht; VG Oldenburg, Urt. v. 16.11.2015 – 11 A 2142/15 -, juris, Rdnr. 14). Dem Umstand, dass das Verbot auf Dauer angelegt ist, wird in einem erfolgreichen Wiedergestattungsverfahren dadurch Rechnung getragen, dass das Verbot mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

Somit kommt es entscheidungserheblich auf die tierschutzrechtlichen Zustände zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an. Auf Ergebnisse der nach dem maßgeblichen Zeitpunkt erfolgten tierschutzrechtlichen Kontrollen kommt es somit nicht an.

c) Die Tatbestandsvoraussetzungen des Haltungs- und Betreuungsverbotes 

Der Tierhalter hat gemäß § 2 des Tierschutzgesetzes die Verpflichtung, den tierschutzrechtlichen Anordnungen der zuständigen Behörde oder den Bestimmungen einer Rechtsverordnung gemäß § 2a des Tierschutzgesetzes in angemessener Weise nachzukommen. Voraussetzung für ein Haltungs- und Betreuungsverbot ist, dass in Fall wiederholt und schwerwiegend gegen diese Verpflichtungen verstoßen wurde.

Es ist anerkannt, dass den beamteten Amtstierärzten gemäß § 15 Abs. 2 TierSchG eine vorrangige Beurteilungskompetenz zusteht. Grund hierfür ist, dass der fachlichen Beurteilung von Amtstierärzten in einem exakten Nachweisen nur begrenzt zugänglichen Bereich einzelfallbezogener Wertungen besonderes Gewicht zukommt (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2014 – BVerwG 3 B 62.13 -, juris, Rdnr. 7; Senatsurt. v. 18.6.2013 – 11 LC 206/12 -, NdsVBl. 2013, 346, juris, Rdnr. 28; Senatsbeschl. v. 3.8.2009 – 11 ME 187/09 -, NdsVBl. 2009, 349, juris, Rdnr. 15; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5.2.2014 – OVG 5 S 22.13 -, juris, Rdnr. 7; Beschl. v. 4.6.2013 – OVG 5 S 3.13 -, LKV 2014, 84, juris, Rdnr. 8; Hirt/Maisack/Moritz, TierschG , 3. Aufl., § 15, Rdnr. 5 und §  16a, Rdnr. 46, jeweils m. w. N.). Dies gilt gerade auch für die zuständige Tierschutzbehörde, bei der die Amtstierärzte beschäftigt sind. Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass die von diesen Amtstierärzten getroffenen Feststellungen substantiiert durch fachliche Stellungnahmen von Amtstierärzten anderer Körperschaften und bei anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften beschäftigten Fachtierärzten erfolgreich in Frage gestellt werden (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 16.4.2015 – 3 M 517/14 -, LKV 2015, 282, juris, Rdnr. 13).

(1) Wiederholter Verstoß

Der Adressat eines Haltungs- und Betreuungsverbotes muss wiederholt gegen die in § 16a Satz 2 Nr. 3 TierSchG genannten tierschutzrechtlichen Vorschriften und Anordnungen verstoßen haben.

Eine Zuwiderhandlung gegen § 2 Nr. 1 TierSchG liegt vor, wenn bei den gehaltenen Tieren oder einem Teil davon ein oder mehrere Verhaltensbedürfnisse aus den Funktionskreisen „Nahrungserwerbsverhalten“, „Ruheverhalten“, „Körperpflege“, „Mutter-Kind-Verhalten“, „Sozialverhalten“ oder „Erkundung“ unterdrückt oder erheblich zurückgedrängt worden sind. Das Unterlassen gebotener Maßnahmen in den Bereichen „Ernährung“ oder „Pflege“ begründet ebenfalls einen Verstoß. Ausreichend ist zudem ein Verstoß gegen die Vorschrift einer Rechtsverordnung, die aufgrund von § 2a TierSchG erlassen worden ist. Unerheblich ist, ob der Halter oder Betreuer schuldhaft gehandelt hat. Eine wiederholte Zuwiderhandlung liegt bereits ab zwei Verstößen vor. Das Verbot setzt zudem nicht voraus, dass die Zuwiderhandlungen bezüglicher aller gehaltenen oder betreuten Tiere begangen worden sind (Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 16a, Rdnr. 45 m. w. N.).

(2) grobe Verstöße

Ungeachtet kann der Halter oder Betreuer auch grobe Verstöße gegen die in § 16a Satz 2 Nr. 3 TierschG genannten tierschutzrechtlichen Vorschriften und Anordnungen begangen haben.

Das Tatbestandsmerkmal „grob“ kann zum einen gegeben sein bei einem vereinzelten Verstoß gegen tierschutzrechtliche Standards, der schwer wiegt. So liegt es etwa, wenn der Tierhalter einen vorsätzlichen Verstoß gegen eine Strafvorschrift begangen hat. Unterhalb dieser Schwelle kann zum anderen ein grober Verstoß wegen der Dauer oder der eingetretenen Folgen der Pflichtverletzung vorliegen. In diesem Fall kommt es in einer Gesamtbetrachtung insbesondere auf die Intensität und Dauer der Verstöße, die Größe der herbeigeführten Gefahren, das Ausmaß und die Dauer der verursachten Schmerzen, Leiden und Schäden sowie den Grad des Verschuldens an (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, a. a. O., § 16a, Rdnr. 45).

(3) Dadurch erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden

Die weitere Tatbestandsvoraussetzung, dass durch die Zuwiderhandlungen den gehaltenen und/oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt worden sind, müssen ebenfalls gegeben sein.

Das Merkmal der erheblichen oder länger anhaltenden Schmerzen oder Leiden oder erheblichen Schäden setzt voraus, dass die Schmerzen, Leiden oder Schäden mehr als nur geringfügig, mithin also gravierend, gewichtig oder beträchtlich sind. „Leiden“ sind dann anzunehmen, wenn Tiere über einen nicht nur ganz geringfügigen Zeitraum hinweg in ihrem natürlichen Wohlbefinden beeinträchtigt werden. Wegen der Schwierigkeit, dies im Einzelfall nachzuweisen, reichen auch „einfache“ Schmerzen oder Leiden aus, wenn sie länger anhalten. Dabei ist ausreichend, wenn sich die genannten Beeinträchtigungen nur bei einem Teil der Tiere des betroffenen Bestandes feststellen lassen (Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 16a, Rdnr. 46 m. w. N.). In diesem Zusammenhang ist weiter anerkannt, dass bei der Frage, ob den Tieren die genannten gesteigerten Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt worden sind bzw. die Gefahr derartiger Folgen droht, die vorrangige Beurteilungskompetenz des beamteten Tierarztes zu beachten ist. Ein schlichtes  Bestreiten oder unsubstantiierte, pauschale Behauptungen des Tierhalters und -betreuers können jedenfalls die Aussagen des beamteten Tierarztes nicht entkräften (Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 16a, Rdnr. 46 m. w. N.).

(4) Im Einzelfall Gefahr von Schmerzen, Leiden oder Schäden ausreichend

In der Rechtsprechung und Kommentarliteratur ist darüber hinaus anerkannt, dass ein Verbot der Tierhaltung und -betreuung im Fall gravierender und zahlreicher Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen und Anordnungen bereits dann gerechtfertigt ist, wenn die (bloße) Gefahr besteht, dass den Tieren andernfalls erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt werden. Es muss mit anderen Worten noch nicht zu derartigen Folgen der tierschutzwidrigen Haltung oder Betreuung gekommen sein. Vielmehr ist eine Gefahrenprognose der zuständigen Behörde ausreichend, bei der der hypothetische Geschehensverlauf – bei unterstelltem Nichteinschreiten der Veterinärbehörde – zu berücksichtigen ist. Dies ergibt sich zum einen aus der Ermächtigung des § 16a Satz 2 TierschG („insbesondere“) und zum anderen aus den im Bereich der Gefahrenabwehr geltenden Grundsätzen. Hiernach ist bereits ein konkretes Verhalten – hier: die oben dargestellten qualifizierten Verstöße – ausreichend, das geeignet ist, einen Schaden an einem polizeilich oder ordnungsrechtlich geschützten Rechtsgut herbeizuführen. Mit anderen Worten musste die zuständige Tierschutzbehörde nicht sehenden Auges abwarten, bis den Tieren, nachdem weniger belastende Einzelanordnungen nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der Tierhaltung geführt haben, erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt sein würden (vgl. hierzu Bad.-Württ. VGH, Beschl. v. 24.4.2002 – 1 S 1900/00 -, VBlBW 2002, 388 [VGH Baden-Württemberg 25.04.2002 – 1 S 1900/00], juris, Rdnr. 10, unter Hinweis auf VG Stuttgart, Urt. v. 29.7.1998, NuR 1999, 236 f. [VG Stuttgart 29.07.1998 – 4 K 2511/98]; vgl. zudem Hess. VGH, Beschl. v. 24.4.2006 – 11 TG 677/06 -, NuR 2007, 54 [OVG Nordrhein-Westfalen 13.07.2006 – 20 D 80/05.AK], juris, Rdnr. 26; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, § 16a, Rdnr. 47; Lorz/Metzger, TierSchG, § 16a, Rdnr. 20).

d) Weitere Voraussetzung: Negativprognose

Die Anordnung eines Tierhaltungs- und -betreuungsverbotes setzt weiter voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Tierhalter und -betreuer werde in Zukunft weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen. 

Eine Abfolge von Verstößen kann die Annahme weiterer Verletzungen rechtfertigen, selbst wenn zeitweise kurzfristige Verbesserungen in der Tierhaltung erkennbar sein sollte. Der Einwand, dass in früheren Kontrollen keine tierschutzrelevanten Probleme festgestellt wurden, kann unerheblich sein. Zudem wird der entscheidende Zeitpunkt für die Beurteilung eines umstrittenen Beschlusses nicht durch nachträgliche Entwicklungen, die für die betroffene Partei günstig sind, beeinträchtigt, siehe oben.

Die Häufung von tierschutzrechtlichen Verstößen über einen längeren Zeitraum kann gegen die betreffende Partei sprechen. So kann im Falle, wo trotz wiederholter Kontrollen, die Mängel in der Tierhaltung aufzeigten, eine Person wiederholt wesentliche Anforderungen an die Tierhaltung missachtet, für eine Negativprognose sprechen. Wen zu einem bestimmten Zeitpunkt keine durchgehende Bemühung erkennbar ist, die Tierhaltung in einen angemessenen Zustand zu versetzen, spricht dies ebenfalls evident gegen den Tierhalter oder Betreuer. Dann gibt es keine Grundlage, um auf eine nachhaltige Verbesserung der Situation in absehbarer Zeit zu hoffen.

RA Dipl. iur. Marc Heidemann

RA Marc Heidemann konzentriert sich auf das Verwaltungsrecht und deckt eine breite Palette an verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten ab. Seine Schwerpunkte liegen insbesondere im Waffenrecht, Denkmalschutzrecht und Baurecht. Bei verwaltungsrechtlichen Fragen bietet er zudem Unterstützung im Arbeits- und Zivilrecht. Entdecken Sie sein Fachwissen für Ihre rechtlichen Belange.

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