Gemäß § 39 Satz 1 BeamtStG kann Beamtinnen und Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden.
Erhebliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebes oder andere gewichtige dienstliche Nachteile
Inhaltsverzeichnis
Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt.
Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei einer weiteren Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 – 1 WB 36/98, juris Rn. 5).
Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (OVG NW, Beschl. v. 25.03.2021 – 6 B 2055/20, juris Rn. 19).
Durch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wird für dessen Dauer das Recht und die Pflicht des Beamten, die mit seinem Amt im konkret- funktionellen Sinn verbundenen Aufgaben zu erfüllen, suspendiert(Sächs. OVG, Beschl. v. 30.01.2019 – 2 B 431/18, juris Rn. 9).
Objektive Gefährdung des Dienstes reicht grundsätzlich aus
Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes (vgl. OVG S-H, Beschl. v. 05.08.2016 – 2 MB 23/16, juris Rn. 14).
Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient demgemäß der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme hat nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung der Dienstherrin gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten vermieden werden (OVG R-P, Beschl. v. 18.01.2021 – 2 B 11504/20, juris Rn. 17). Für die Anordnung genügt es, wenn die oder der zuständige Vorgesetzte aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Prognose gelangt, dass die Erfüllung der Aufgaben der Verwaltung durch eine vorerst weitere Dienstausübung der Beamtin bzw. des Beamten objektiv gefährdet ist.
Auf hinreichende Anhaltspunkt gestützter Verdacht einer Gefahrenlage erforderlich
Es ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung der Beamtin bzw. des Beamten besteht. Es genügt vielmehr der Verdacht einer Gefahrenlage, der allerdings auf hinreichende Anhaltspunkte gestützt sein muss (OVG NW, Beschl. v. 09.08.2021 – 1 B 915/21, juris Rn. 15).
Wird dem Beamten ein Dienstvergehen vorgeworfen, ist maßgebendes Bemessungskriterium die Schwere des vorgeworfenen, oft noch klärungsbedürftigen Dienstvergehens (Hampel, in: GKÖD, Band 1, Lfg. 8/16, § 66 BBG, Rn. 24).
Sie beurteilt sich unter anderem nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße, den Umständen der Tatbegehung und den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte (OVG NW, Beschl. v. 14.09.2021 – 6 B 1198/21, juris Rn. 14).
Aber: Minder schwere Disziplinarmaßnahme rechtfertigt nicht ohne weiteres die Annahme einer erheblichen Gefährdung des Dienstbetriebes!
Ergeben sich danach tatsächliche Anhaltspunkte nur für ein Dienstvergehen, das aller Voraussicht nach allenfalls mit einer weniger schwerwiegenden Disziplinarmaßnahme geahndet werden wird, kann allein aus der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens noch nicht auf eine erhebliche Gefährdung des Dienstbetriebs geschlossen werden (Schachel, in: Schütz/Mai- wald, BeamtR, 461. AL, Dez. 2020, § 39 BeamtStG, Rn. 8; Hampel, in: GKÖD, Band 1, Lfg. 8/16, § 66 BBG, Rn. 24).
Andererseits sind zwingende Gründe im Sinne des § 39 Satz 1 BeamtStG auch nicht erst dann gegeben, wenn die Verhängung der Höchstmaßnahme – also die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 10 BremDG – zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung sicher feststeht. Dem steht entgegen, dass die Zwangsbeurlaubung auf einen Verdacht gestützt wird, dessen Begründetheit erst im nachfolgenden Disziplinarverfahren abschließend aufgeklärt und bewertet werden kann (Nds. OVG, Beschl. v. 20.04.2010 – 5 ME 282/09, juris Rn. 18).
Im Ergebnis: Konkrete Anhaltspunkte für disziplinarische Zurückstufung oder Entfernung erforderlich
Jedenfalls dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass sich die Sanktionierung des vorgeworfenen Dienstvergehens im Bereich der disziplinarischen Zurückstufung bis hin zur Höchstmaßnahme bewegen wird, ist eine Gefährdung des Dienstbetriebs durch den Beamten und damit ein zwingender Grund im Sinne des § 39 Satz 1 BeamtStG anzunehmen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 20.04.2010 – 5 ME 282/09, juris Rn. 18).
Maßgeblicher Zeitpunkt
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte ist grundsätzlich der Zeitpunkt seiner Anordnung (Sächs. OVG, Beschl. v. 30.01.2019 – 2 B 431/18, juris Rn. 9; Bay.VGH, Beschl. v. 20.03.2017 – 3 ZB 16.921, juris Rn. 13).
Nachträgliche Veränderungen der Sachlage: Ermittlungsverfahren
Nachträglich eingetretene Veränderungen wie z.B. die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO müssen zunächst in einem weiteren auf Aufhebung des Verbots gerichteten Verwaltungsverfahren nach den §§ 48, 49 bzw. § 51 des jeweiligen Landes-VwVfG geltend gemacht werden. Sie sind aber jedenfalls unerheblich, wenn für die Dienstherrin unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung eine Aufhebung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte nicht in Betracht kommt.