Der Schulwechsel innerhalb Hamburgs wegen Zerrüttung des Schulverhältnisses

Grundsatz der pädagogischen Kontinuität als Hürde

Ein Schulwechsel innerhalb Hamburgs liegt vor, wenn die Schülerin oder der Schüler in Hamburg gemeldet ist und bereits eine staatliche oder private allgemeinbildende Schule in Hamburg besucht. Ein Schulwechsel wegen Zerrüttung des Schulverhältnisses ist nur in Ausnahmefällen möglich. Denn grundsätzlich kommt dem Interesse an der pädagogischen Kontinuität des einmal eingeschlagenen Bildungsganges ein gewichtiger Stellenwert zu. Lediglich Unannehmlichkeiten oder alltägliche Konflikte („Fettsack“, kleinere Hänseleien) reichen nicht aus. Als Rechtsanwalt für Schulrecht in Hamburg prüfe ich gerne Ihren Einzelfall.

Entscheidung liegt im Ermessen der Stammschule

Die Entscheidung über einen Schulwechselantrag außerhalb der im Schulgesetz (vgl. § 42 Abs. 4 bis 6, 7 Satz 5 HmbSG) vorgesehenen Schulübergänge liegt im Ermessen der jeweiligen Schulbehörde.

Die Ausübung des der Schulbehörde zustehenden Ermessens ist nur eingeschränkt gerichtlich daraufhin überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, vgl. § 114 Satz 1 VwGO. 

Der Grundsatz der Verantwortlichkeit der bisherigen Schule für den eingeschlagenen Bildungsgang ist daher Teil der Verwirklichung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule (§ 2 HmbSG), den die staatlichen Stellen unter möglichst effizienter Verwendung der ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen bereitzustellen haben.

Weiterhin ist zu betonen, dass weder § 3 Abs. 4 HmbSG noch das verfassungsmäßige Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) den Vorrang des Elternwunsches begründen. 

Vielmehr sind die verfassungsrechtlichen Elternrechte mit der ebenfalls verfassungsrechtlich normierten (Art. 7 Abs. 1 GG) Aufsicht des Staates über das Schulwesen in Ausgleich zu bringen. 

Diese verfassungsrechtlichen Ziele hat der Gesetzgeber im Hamburgischen Schulgesetz in nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgeformt, dass den Eltern außerhalb der im Schulgesetz (vgl. § 42 Abs. 4 bis 6, 7 Satz 5 HmbSG) vorgesehenen Schulübergänge kein Anspruch auf einen Schulwechsel entsprechend dem von ihnen geäußerten Wunsch einräumt, sondern die Entscheidung über den Schulwechselwunsch in das Ermessen der zuständigen Schulverwaltung gestellt wird. 

Leitende Ermessenserwägungen in Richtlinie

In Hamburg sind die leitenden Ermessenserwägungen in der „Richtlinie zur Aufnahme von Schülerinnen und Schülern an staatlichen allgemeinbildenden Schulen in Hamburg“ vom 28. Februar 2018 (MBlSchul 2018 S. 38; nachfolgend: Aufnahme-RiLi) niedergelegt. 

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 Aufnahme-RiLi soll ein Schüler im Regelfall an der von ihm besuchten Schule verbleiben, um die pädagogische Kontinuität des eingeschlagenen Bildungsgangs zu gewährleisten; dieses öffentliche Interesse überwiegt regelmäßig das Interesse des Schülers an einem Schulwechsel. 

Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 3 Aufnahme-RiLi müssen für einen Schulwechsel vorliegen, m.a.W. ein Fall in dem das öffentliche Interesse stets überwiegt darf nicht vorliegen.

Die Vorschrift lautet:

§ 2 Grundsatz

(1) Nach Möglichkeit sollen Schülerinnen und Schüler an der Schule aufgenommen werden, die ihre Sorgeberechtigten ausgewählt haben. Über die Anträge auf Aufnahme in die gewünschte Schule ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

(2) Im Regelfall soll die Schülerin oder der Schüler an der von ihm besuchten Schule verbleiben, um die pädagogische Kontinuität des eingeschlagenen Bildungsganges zu gewährleisten. Dieses öffentliche Interesse überwiegt für gewöhnlich das Interesse der Schülerin oder des Schülers an einem Schulwechsel. Es überwiegt stets,

1. wenn das pädagogische Interesse an der Fortsetzung des Bildungsganges an der bisher besuchten Schule höher einzustufen ist als das Interesse der Schülerin oder des Schülers, den Lernort zu wechseln oder

2. wenn die Kapazität der gewählten Schule erschöpft ist.

Interesse an Schulwechsel überwiegt nur in Ausnahmefällen

Das Interesse des Schülers, die Schule zu wechseln überwiegt, den Grundsatz der pädagogischen Kontinuität des eingeschlagenen Bildungsganges, der durch die Verantwortlichkeit der bisherigen Schule für den eingeschlagenen Bildungsgang gewährleistet werden soll (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Aufnahme-RiLi), nur in Ausnahmefällen.

Im Regelfall prioritärer Stellenwert der Verantwortlichkeit der bisherigen Schule

Der im Regelfall prioritäre Stellenwert der Verantwortlichkeit der bisherigen Schule für den eingeschlagenen Bildungsgang zur Sicherung der pädagogischen Kontinuität ist gesetzlich festgeschrieben und durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht beanstandet wurden. 

Vermeidung von durch Schulwechsel bedingte Lernlücken

Lernlücken können vermieden werden. Denn durch den durchgängigen Besuch einer Schule können Probleme mit unterschiedlichen Konzepten der Schulen vermieden, der Unterrichtsstoff aufeinander aufbauend unterrichtet werden und so Lücken vermieden werden. 

Vermeidung von Problemverlagerungen

Ebenso wird Problemen bei der Fächerwahl entgegengewirkt. Auch gewährleistet die Verantwortlichkeit der bisherigen Schule für den eingeschlagenen Bildungsgang, dass durch einen Schulwechsel mögliche Defizite und Konflikte des Schülers nicht lediglich verlagert werden. 

Dies gilt insbesondere für Probleme, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ggf. an der neuen Schule mit neuen Akteuren erneut auftreten, da sie keiner Lösung zugeführt wurden bzw. die Sozial, Lern- oder. Handlungskompetenz des Schülers nicht verbessert wurde. 

Der Grundsatz der Verantwortlichkeit der bisherigen Schule für den eingeschlagenen Bildungsgang ist daher Teil der Verwirklichung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule (§ 2 HmbSG), den die staatlichen Stellen unter möglichst effizienter Verwendung der ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen bereitzustellen haben.

Hohe Voraussetzungen für das Merkmal des zerrütteten Schulverhältnisses

Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 Aufnahme-RiLi, wonach das Interesse des Schülers den im Regelfall einzuhaltenden Grundsatz der Verantwortlichkeit der bisherigen Schule für den eingeschlagenen Bildungsgang überwiegen kann, wenn das Schulverhältnis an der bisherigen Schule als zerrüttet anzusehen ist, sind demnach sehr hoch.

Probleme filtern

Weiter ist zu prüfen, ob es sich um Probleme handelt, die an jeder Schule auftreten können und möglicherweise lediglich den allgemeinen Unannehmlichkeiten des Schullebens zuzuordnen sind. Kleinere Hänseleien oder Konflikte gehören zum Schulalltag. 

Kontaktaufnahme mit der Stammschule

Zunächst ist die verantwortliche derzeitige Schule zu kontaktieren. Krisengespräche müssen geführt werden. Denn zunächst ist es Aufgabe der Schule, der beteiligten Schüler und ggf. Eltern, die im Schulverhältnis auftretenden Konflikte im Dialog oder mit Hilfe von Ordnungsmaßnahmen zu bewältigen. Zunächst ist es erforderlich, in den Dialog mit der Schule zu gehen und zu versuchen, eine gemeinsame Lösung zu finden.

Konflikte dokumentieren

Ähnlich wie beim Mobbing im Arbeitsrecht, bietet es sich an, Probleme und Konflikte in einer Art Tagebuch zu dokumentieren.

RA Dipl. iur. Marc Heidemann

RA Marc Heidemann konzentriert sich auf das Verwaltungsrecht und deckt eine breite Palette an verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten ab. Seine Schwerpunkte liegen insbesondere im Waffenrecht, Denkmalschutzrecht und Baurecht. Bei verwaltungsrechtlichen Fragen bietet er zudem Unterstützung im Arbeits- und Zivilrecht. Entdecken Sie sein Fachwissen für Ihre rechtlichen Belange.

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