Als Anwalt mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht stelle ich Ihnen hier grundlegende Informationen zum Thema waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 Waffengesetz (WaffG) zur Verfügung. Gerne berate ich Sie auch in Ihrem Einzelfall.
I. Leichtfertige Verwendung von Waffen und Munition nach § 5 Absatz 1 Nr. 2a WaffG
Inhaltsverzeichnis
Bei der in § 5 WaffG geregelten Unzuverlässigkeit handelt es sich ebenso wie bei den Begriffen der missbräuchlichen und leichtfertigen Verwendung von Waffen oder Munition um unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Konkretisierung bedürfen.
Die Ausfüllung dieser Rechtsbegriffe hat sich ebenso wie die Prognose im Hinblick auf den künftigen Umgang mit Waffen und Munition an dem Zweck zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (BVerwG, Beschl. v. 22.10.2014 – 6 C 30/13 – juris Rn. 19; Beschl. v. 12.10.1998 – 1 B 245.97 – juris Rn. 5).
Aus waffenrechtlicher Sicht verantwortungsbewusst handelt nur ein solcher Waffenbesitzer, der eine Waffe überlegt, nicht affektgeneigt und in voll zurechnungsfähigem Zustand entsprechend ihrer Bestimmung verwendet.
Missbräuchliche Verwendung von Waffen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG stellt jedes Gebrauchmachen einer Waffe dar, das von der Rechtsordnung nicht gedeckt wird, wobei maßgeblich auf den Zweck der Verwendung abzustellen ist. Eine missbräuchliche Verwendung einer Waffe kann nicht nur dann vorliegen, wenn damit geschossen wird, sondern beispielsweise auch, wenn diese zur Bedrohung oder Abschreckung eingesetzt oder in einer angenommenen Notwehrlage damit zugeschlagen wird (Runkel in: Hinze, Waffenrecht, Januar 2018, § 5 Rn. 27; zur Mitnahme einer Waffe zu einer erwarteten familiären Auseinandersetzung).
Die missbräuchliche Verwendung einer Waffe kann vielmehr auch dann zu besorgen sein, wenn sich aufgrund von Vorfällen ohne eigenen Waffenbezug – etwa in Beziehungs- oder Nachbarstreitigkeiten oder im Straßenverkehr – zeigt, dass eine Person leicht reizbar ist, unbeherrscht auf Provokationen reagiert oder in Konfliktsituationen über ein mangelhaftes Potenzial für gewaltfreie Konfliktlösungen verfügt (BayVGH, Beschl. v. 30.03.2001 – 19 ZS 01.357 – juris; Papsthart in Steindorf/Heinrich/Papsthart, WaffG, 9. Aufl., § 5 Rn. 9). Es würde dem Zweck des Gesetzes, wonach die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen sind, die nach ihrem (gesamten) Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.10.1998 – 1 B 245/97 – juris Rn. 5), zuwiderlaufen, wenn die Prognose mangelnder Zuverlässigkeit nur anhand von Vorfällen mit Waffenbezug gestellt werden könnte.
Leichtfertiges Handeln im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG erfordert in der Regel einen hohen, zumindest aber gesteigerten Grad von – meist bewusster – Fahrlässigkeit, der darin zu sehen ist, dass der Täter aus besonderer Gleichgültigkeit handelt, bzw. einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit, der dem der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts gleichkommt. Diese Alternative kann bei Menschen, die zum Leichtsinn neigen, erfüllt sein, oder bei Personen, die sich keine Rechenschaft über ihr Tun ablegen oder die unüberlegt oder vorschnell handeln (Papsthart in Steindorf/Heinrich/Papsthart, WaffG, 9. Aufl., § 5 Rn. 10). Leichtfertigkeit ist beispielsweise gegeben, wenn der Handelnde grob achtlos handelt und nicht beachtet, was sich unter den Voraussetzungen seiner Erkenntnisse und Fähigkeiten aufdrängen muss, also selbst einfachste, jedem einleuchtende Überlegungen nicht angestellt werden (Gade/Stoppa, WaffG, § 5 Rn. 10).
II. Unsachgemäßer Umgang mit Waffen und Munition nach § 5 Absatz 1 Nr. 2b WaffG
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden.
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG fordert eine typisierende Betrachtung. Es kommt nicht auf den individuellen Risikograd an, wie er sich unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat. Entscheidend ist vielmehr allein, ob der in Rede stehende Umgang mit Waffen oder Munition typischerweise bei Menschen als riskant einzustufen ist.
a) Führen einer Waffe unter starkem Alkoholeinfluss bei erwarteter Streitsituation
Der Konsum von Alkohol führt typischerweise zur Minderung von Reaktionsgeschwindigkeit und Wahrnehmungsfähigkeit sowie zu Enthemmungen, d.h. zu Ausfallerscheinungen, die beim Schusswaffengebrauch die Gefahr der Schädigung Dritter hervorrufen (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 6 C 30.13 -, juris Rdnr. 22). Wer unter Alkoholeinfluss eine Waffe bei sich führt und sich sehenden Auges in eine Streitsituation begibt, ist waffenrechtlich Unzuverlässig, auch wenn er keinen Gebrach von der Waffe macht (Verwaltungsgericht Stade Beschl. v. 16.02.2023, Az.: 1 B 85/23).
b) Gebrauch einer Schusswaffe unter Alkoholeinfluss (0,8 Promille)
Vorsichtig und sachgemäß geht mit Schusswaffen nur um, wer sie in nüchternem Zustand gebraucht und so sicher sein kann, keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu erleiden, die zu Gefährdungen Dritter führen können (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 6 C 30.13 – juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits bei Schussabgabe von 0,8 Promille die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Absatz 1 Nr. 2 WaffG bestätigt.
c) gesetzeswidrige Aufbewahrungssituation, geladene Waffe im Tresor, § 36 WaffG
Eine sorgfältige Aufbewahrung i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG liegt nur dann vor, wenn die gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen oder Munition beachtet sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2016 – 21 ZB 15.1949 – juris Rn. 16). Dabei dienen die waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften und hierbei insbesondere § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG der Umsetzung eines der vordringlichsten und wichtigsten Ziele des Waffengesetzes, nämlich das Abhandenkommen oder die unbefugte Ansichnahme von Waffen durch Dritte zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2015 – 21 ZB 15.2418 – juris Rn. 12).
Nach § 13 Abs. 2 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung (AWaffV) hat derjenige, der Waffen oder Munition besitzt, diese ungeladen aufzubewahren. Dementsprechend verletzt das Aufbewahren einer geladenen/unterladenen Waffe in einem Waffentresor eine elementare und selbstverständliche Pflicht beim Umgang mit Waffen (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2017 – 21 CS 17.2506 – juris Rn. 10) und widerspricht somit grundlegenden Vorsichts- bzw. Sorgfaltsmaßgaben im Umgang mit bzw. bei der Aufbewahrung von Waffen und Munition im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2019 – 21 CS 17.2281 – juris Rn. 17).
Im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG kann damit schon – wie ausgeführt – ein einziger Verstoß gegen die in § 36 Abs. 1 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2017 – 21 CS 17.1531 – juris Rn. 16).
§ 36 Abs. 1 WaffG stellt – ausweislich seines Wortlauts – weder auf die Umstände der Verwahrung noch auf das Verhalten des Waffeninhabers ab, sondern erfordert vielmehr ausschließlich, dass die erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden, um ein Abhandenkommen oder ein An-Sich-Nehmen durch unbefugte Dritte zu verhindern. Aus welchen Gründen diese nicht getroffen wurden bzw. welcher Verschuldensgrad dem zugrunde liegt, ist demgegenüber im Rahmen von § 36 Abs. 1 WaffG nicht maßgeblich.
Ausnahme:
Es kann sich bei einem konkreten Verstoß gegen die dem Waffenbesitzer obliegenden Aufbewahrungspflichten angesichts der Gesamtumstände ausnahmsweise lediglich um eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts handeln, die bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.2014 – 6 C 30/13 – juris Rn. 19; BayVGH, Beschluss vom 31.7.2015 – 21 CS 15.1156 – juris Rn. 12).
In der Regel gilt aber: Desto schwerer der Verstoß, desto eher wird eine situative Nachlässigkeit abzulehnen sein.
II. Beurteilungsmaßstab der Prognoseentscheidung
Für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG anzunehmende Unzuverlässigkeit ist eine Prognose bezogen auf diejenige Person erforderlich, deren Zuverlässigkeit infrage steht.
Hierfür ist maßgeblich ist, ob Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass zukünftig eine der in der Vorschrift aufgeführten Verhaltensweisen von dieser verwirklicht wird.
Für diese Prognose ist das Verhalten einer Person in der Vergangenheit zu berücksichtigen, daneben ist aber auch jeder andere Umstand, der beurteilungsrelevant sein kann, mit einzubeziehen (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 7. Dezember 2017 – 4 A 814/17 -, juris Rdnr. 31).
Dabei dürfen an die Prognose keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Die Prognose hat sich an dem Zweck des Gesetzes zu orientieren, den missbräuchlichen Umgang mit Waffen einzudämmen und die Allgemeinheit vor den schweren Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Verwendung zu bewahren (BT-Drs. 14/7758, S. 1, 51).
Die Risiken für hochrangige Rechtsgüter, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, sollen nur bei solchen Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen.
Es ist deshalb kein Nachweis erforderlich, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG normierten Unzuverlässigkeitstatbestand verwirklichen wird. Ausreichend ist vielmehr, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hierfür besteht (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 – 6 C 1.14 -, juris Rdnr. 17, m.w.N.; Beschluss vom 31. Januar 2008 – 6 B 4.08 -, juris Rdnr. 5; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 7. Dezember 2017 – 4 A 814/17 -, juris Rdnr. 32; Gade, in Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rdnr. 20).
Hat ein Waffenbesitzer in diesem Sinne bereits einmal versagt, ist allein das ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient. Eine dahingehende Lebenserfahrung oder ein entsprechender Rechtssatz, dass erst ab einem weiteren Verstoß eine negative Zukunftsprognose gerechtfertigt ist, besteht nicht (st. Rspr. BayVGH, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 28.11.2013 – 21 CS 13.1758 – juris Rn. 12; B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.11.2015 – 21 CS 15.2023 – juris Rn. 15; B.v. 14.11.2016 – 21 ZB 15.648 – juris Rn. 17).
Unter Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes ist die Prognose der Unzuverlässigkeit nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 a.a.O. Rdnr. 17; Gade, in Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rdnr. 20).