Verkehrssicherungspflicht bei Verweigerung der Baumfällgenehmigung: Haftungsfragen im Fokus

Im Fokus dieses Artikels liegt die Haftungsfrage in Bezug auf Bäume, die von Naturschutz- oder Baubehörden als erhaltungsfähig eingestuft werden, jedoch mögliche Risiken bergen. Es wird erläutert, wie die Haftung zu bewerten ist, wenn trotz behördlicher Verweigerung einer Fällgenehmigung und durchgeführter Sicherungsmaßnahmen entsprechend der FLL-Baumkontrollrichtlinie durch einen Sturm Schäden entstehen. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Aspekte und Verantwortlichkeiten für Grundstücksbesitzer in solchen Situationen.“

Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht Voraussetzung für Haftung

Eine Haftung für einen Schaden durch einen Baum, der trotz Ausführung der im Baumgutachten empfohlenen Maßnahmen entsprechend der FLL-Baumkontrollrichtliniewürde die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht voraussetzen.

Beispielsweise der Gebäudeversicherer des geschädigten Versicherungsnehmers kann den Eigentümer des Baumes respektive den Störer aber nicht erfolgreich in Regress nehmen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG), wenn dieser seiner Verkehrsicherungspflicht genügt hat. Denn ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht setzt voraus, dass der Geschädigte oder sein Versicherer beweist, dass der Störer bzw. der Verkehrssicherungspflichtige die ihm obliegende Verkehrssicherungspflichten verletzt hat.

Verkehrssicherungspflicht obliegt demjenigen, der eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (vgl. BGH NJW 2006, 610, 611; BGH NJW 2007, 1683, 1684; BGH NJW 2013, 48). Verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt (vgl. BGH NJW 2013, 48). 

Maßstab der Verkehrssicherung: Nicht jede Schädigung

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. 

Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. 

Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH NJW 2013, 48 f. m.w.N.).

Regelmäßige Baumkontrollen und Durchführung von behördlich oder gutachterlich angeordneten Sicherungsmaßnahmen idR ausreichend

Der Verkehrssicherungspflicht würde man genügen, wenn man regelmäßige Kontrollen am Baum durchführt und die erforderlichen Maßnahmen umsetzt.

Würde es trotz der Ausführung Sicherungsmaßnahmen zu einem Schaden bei einem Nachbarn, zB durch einen Sturm, kommen, wäre jedoch eine Haftung aller Voraussicht nach ausgeschlossen, da der Baumeigentümer/Störer seiner Verkehrssicherungspflicht durch Ausführung der Maßnahmen und der regelmäßigen Kontrolle genügt hätte.

Während sich die haftungsrechtliche Störereigenschaft grundsätzlich allein aus der objektiven Beherrschung der Schadensquelle ergibt, treten insbesondere bei Naturereignissen äußere, von niemandem zu beherrschende Einflüsse hinzu, die bei wertender Betrachtung eine abweichende Würdigung rechtfertigen (vgl. BGH NJW 1993, 1855, 1856; BGH NJW-RR 2011, 739, 740, wo der BGH die Fallgruppe technische Defekte gerade unter diesem Gesichtspunkt von Schäden durch Naturereignisse abgrenzt). Beruht der Schaden aber auf den Einwirkungen des Sturms, also auf Umständen, die grundsätzlich niemand beherrschen kann und für die auch keine Sicherungspflicht besteht. Ein Sturm der Windstärke 11 zB  ist zwar ein denkbares, normalerweise aber nicht zu erwartendes Ereignis (vgl. BGH NJW 1993, 1855, 1856). Wenn ein Baum aber den normalen Naturkräften bis dahin standgehalten hat, kann eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht daraus aber nicht resultieren..

RA Dipl. iur. Marc Heidemann

RA Marc Heidemann konzentriert sich auf das Verwaltungsrecht und deckt eine breite Palette an verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten ab. Seine Schwerpunkte liegen insbesondere im Waffenrecht, Denkmalschutzrecht und Baurecht. Bei verwaltungsrechtlichen Fragen bietet er zudem Unterstützung im Arbeits- und Zivilrecht. Entdecken Sie sein Fachwissen für Ihre rechtlichen Belange.

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