Das öffentlich-rechtliche Hausverbot

Im vorliegenden Artikel werde ich einen Einblick in die materiellen Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Hausverbots geben.

Inhalt des öffentlich-rechtlichen Hausrechts

Als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Verwaltungsrecht berate ich Sie gerne zum Thema öffentlich-rechtliches Hausverbot und stehe Ihnen bei Fragen dazu gerne zur Verfügung. Im Artikel wird der Inhalt des öffentlich-rechtlichen Hausrechts im Detail behandelt. Dieses Recht ermöglicht es öffentlichen Einrichtungen, die Zweckbestimmung ihrer Räumlichkeiten zu wahren und den reibungslosen Ablauf ihres Dienstbetriebs zu gewährleisten, indem sie über den Aufenthalt von Personen in ihren Räumlichkeiten entscheiden können.

Begründungserfordernis

Für das Begründungserfordernis gilt, dass die Begründung des Hausverbotes, wenn mit dem Hausverbot darauf abgezielt wird, eine zukünftige Störung des Dienstbetriebes zu verhindern, zumindest Angaben zu den folgenden Punkten enthalten muss.

a) Tatsachen zur bisherigen Störung

Es müssen die Tatsachen zur bisherigen Störung des Dienstbetriebes mitgeteilt werden. 

b) Gründe, warum in Zukunft mit Störung zu rechnen ist

Es muss dargelegt werden, aus welchen Gründen in Zukunft wieder mit einer Störung zu rechnen ist. 

c) Erwägungen, für die konkrete Ausgestaltung des Hausverbots

Es muss dargelegt werden, welche Erwägungen für die Ausgestaltung des Hausverbotes in der konkreten Form (unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit) maßgebend waren.

Umfang der gerichtlichen Überprüfung

Der gerichtlichen Prüfung unterliegen die Tatsachenfeststellungen und die rechtlichen Bewertungen des Behördenleiters in vollem Umfang. 

Entsprechendes gilt in Bezug auf die Prognoseentscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 – B 7 AL 18/99 R – SozR 3-4100 § 36 Nr. 5 = juris Rdnr. 18), die bezüglich der Wiederholungsgefahr zu treffen ist. 

Das Stellen einer Prognose ist die Feststellung einer hypothetischen Tatsache; die Prüfung, ob der festgestellte Sachverhalt den Schluss auf die hypothetische Tatsache erlaubt, gehört zur Beweiswürdigung (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 1987 – 11b RAr 7/86 – SozR 4100 § 44 Nr. 7 = juris Rdnr. 13, m. w. N.; BSG, Urteil vom 11. Mai 2000, a. a. O., Rdnr. 2018). 

Sachgerechte Prognosen beruhen in der Regel auf erhobenen Daten und Fakten und damit auf Erkenntnissen der Vergangenheit, auf deren Basis unter Berücksichtigung etwaig zu erwartender Veränderungen eine Vorausschau für die Zukunft getroffen wird (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 – B 3 KS 4/13 R, Rdnr. 24). Dabei ist auch zu überlegen, ob der Einsatz eines milderen Mittel, wie eine Verwarnung und somit eine Androhung eines Hausverbotes zu Veränderung führen kann.

Diese prognostische Einzelbeurteilung ist tatsächlichen Feststellungen im gerichtlichen Verfahren mit gleicher Sicherheit zugänglich wie im Verwaltungsverfahren (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2000, a. a. O.). 

Ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum der zuständigen Behörde besteht nicht (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014, a. a. O., jeweils Rdnr. 31). 

Die Gerichte haben insbesondere zu prüfen, ob die Grundlagen für die Prognose richtig festgestellt und alle in Betracht kommenden Umstände hinreichend und sachgerecht gewürdigt sind (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014, a. a. O.). Hingegen ist die Prüfungskompetenz des Gerichtes in Bezug auf die Teile der Hausverbotsentscheidung, hinsichtlich derer dem Behördenleiter ein Ermessensspielraum zusteht, eingeschränkt. Das Gericht prüft hier nur, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermessensregelung vorliegen und ob die Ermessensausübung rechtmäßig war, das heißt weder ein Ermessensnichtgebrauch noch eine Ermessensüberschreitung oder -unterschreitung oder ein Ermessensfehlgebrauch vorlag (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [11. Aufl., 2014], § 54 Rdnr. 27, 28).

Voraussetzungen im Einzelnen

(1) Berücksichtigung des Widmungszwecks


Jobcenter:
Der Widmungszweck eines Jobcenters (vgl. § 6d SGB II) besteht zum einen darin, wie jeder andere Leistungsträger seine Verpflichtungen nach Maßgabe der §§ 13 bis 16 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) in Bezug auf Aufklärung, Beratung, Auskunft und Antragstellung zu erfüllen. Zum anderen ist er verpflichtet, Leistungsberechtigte und sonstige Personen, die sich wegen einer Angelegenheit nach dem SGB II an ihn wenden, zu betreuen (ähnlich: OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 – juris Rdnr. 5). Diese Widmungszwecke setzen voraus, dass ein ordnungsgemäßer Geschäftsbetrieb des Jobcenters und insbesondere die Sicherheit der im Jobcenter tätigen Mitarbeiter sowie von Besucher gewährleistet ist.

(2) Störung des Dienstbetriebes

Eine Störung des Dienstbetriebes, der mit einem Hausverbot begegnet werden soll, kann gegenwärtig oder – in der Regel – zukünftig sein. In letzterem Fall muss mit einer Wiederholung der Störung oder bei einer Drohung mit der Verwirklichung des angedrohten Verhaltens zu rechnen sein (zur Frage, ob eine abstrakte Störung des Dienstbetriebes [hier: Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz] für den Erlass eines Hausverbotes ausreichend ist: Hess. VGH, Beschluss vom 29. November 1989 – 6 TH 2982/89 – NJW 1990, 1250 = juris Rdnr. 4, m. w. N.).

(3) Nachhaltige Störung erforderlich

Das Merkmal der Störung erfährt allerdings eine Einschränkung dahingehend, dass die Störung nachhaltig sein muss (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. März 2005 – 7 B 10104/05 – juris Rdnr. 9; Sächs. LSG, Beschluss vom 12. November 2010 – L 7 AS 593/10 B ER – NZS 2011, 353 f. = juris Rdnr. 19). Zum Teil wird auch formuliert, dass der Dienstbetrieb oder die Sicherheit von Mitarbeitern oder Besuchern in schwerem Maße beeinträchtigt sein muss (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 –juris Rdnr. 5), oder dass es zu massiven Störungen gekommen sein muss (vgl. Müller, VR 2010, 152 [154]). Diese Einschränkung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Denn eine Behörde ist grundsätzlich verpflichtet, auch mit aus ihrer Sicht schwierigen Besuchern zurechtkommen und ihnen das ungehinderte Vortragen ihrer Anliegen zu ermöglichen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. März 2005, a. a. O.; Sächs. LSG, Beschluss vom 12. November 2010, a. a. O.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014, a. a. O.).

Wann eine nachhaltige Störung in diesem Sinne gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine nachhaltige Störung wurde zum Beispiel bejaht, wenn Bedienstete beleidigt wurden oder der Besucher in nicht hinnehmbarer Weise aggressiv reagierte (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. März 2005, a. a. O.; VG Bremen, Beschluss vom 26. März 2015 –2 V 50/15 – juris Rdnr. 16). Auch wenn ein Leistungsempfänger die Dienststelle und seine Fallmanagerin über das übliche Maß hinaus mit persönlichen Vorsprachen in Anspruch nimmt, weil er fordert, die Dienststelle täglich aufsuchen und telefonische Erstkontakte über die Telefonanlage der Dienststelle ausführen zu können, soll dies ein Hausverbot rechtfertigen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 12. November 2010, a. a. O.). 

Demgegenüber reicht eine geringfügige und erstmalige Störung nicht aus (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. August 1994 – 9 S 732/92 – NVwZ-RR 1995, 88 = juris Rdnr. 29 [Überziehen der Nutzungszeit eines für eine Veranstaltung überlassenen Raumes einer Hochschule]).

Eine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes in diesem Sinne ist unter anderem gegeben, wenn eine Person oder mehrere Personen mit Schaden an Leib oder Leben bedroht werden.

(5) Begründung zur Entscheidung über die Dauer des Hausverbots.

Befristung erforderlich

Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein öffentlich-rechtliches Hausverbot regelmäßig zu befristen (vgl. Michl/Roos, LKRZ 2012, 50 [54]; zu einem unbefristeten Hausverbot für eine Gemeindebibliothek: OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Oktober 1988 – 15 A 188/86 – NVwZ-RR 1989, 316 = juris Rdnr. 10). Eine bestimmte Dauer oder auch nur eine Regeldauer für ein Hausverbot gibt es nicht. In der Rechtsprechung wurden Zeiträume von einem Jahr (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 12. November 2010 – L 7 AS 593/10 B ER – NZS 2011, 353 = juris Rdnr. 2 [Jobcenter]; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 – juris [Jobcenter]), 18 Monaten (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 26. März 2015 –2 V 50/15 – juris Rdnr. 17 [Jobcenter]) und 3 Jahren (Bay. VGH, Beschluss vom 23. Juni 2003 – 7 CE 03.1294 – NVwZ-RR 2004, 185 = juris Rdnr. 18 [Universitätsbibliothek]).

Umstände des Einzelfalls maßgeblich

Maßgebend sind wie bei jeder Ermessensentscheidung die Umstände des Einzelfalles. In den Entscheidungsprozess sind unter anderem das Maß der zu erwartenden Störung, das bisherige Verhalten des Störers (vgl. hierzu Bay. LSG, Beschluss vom 23. Juni 2003 – 7 CE 03.1294 – BayVBl 2003, 692 f. = NVwZ-RR 2004, 185 f. = juris Rdnr. 18) und die konkrete Ausgestaltung des Hausverbotes (völliges Hausverbot oder Hausverbot mit Maßgaben) einzustellen. Zu berücksichtigen ist aber auch, ob Zweck der öffentlichen Einrichtung eine Verwaltungsaufgabe ist, auf deren Wahrnehmung der Einzelne einen verfassungsrechtlichen oder gesetzlichen Anspruch hat, oder ob es sich nur um eine Einrichtung der allgemeinen Daseinsvorsorge wie eine Sport- oder Kultureinrichtung handelt. Schließlich sind etwaige rechtliche Vorgaben für den Kontakt mit der öffentlichen Einrichtung zu berücksichtigen (vgl. z. B. die Pflicht zur persönlichen Meldung beim Jobcenter).

RA Dipl. iur. Marc Heidemann

RA Marc Heidemann konzentriert sich auf das Verwaltungsrecht und deckt eine breite Palette an verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten ab. Seine Schwerpunkte liegen insbesondere im Waffenrecht, Denkmalschutzrecht und Baurecht. Bei verwaltungsrechtlichen Fragen bietet er zudem Unterstützung im Arbeits- und Zivilrecht. Entdecken Sie sein Fachwissen für Ihre rechtlichen Belange.

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