Das Verwaltungsverfahren im Rahmen von § 18 BEEG bei Kündigung während Elternzeit 

Die Kündigung während der Elternzeit ist nur ausnahmsweise zulässig. Eine solche Kündigung unterliegt einem streng formalisierten Verfahren. So ist beispielsweise ist die Zustimmung einer Aufsichtsbehörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens erforderlich. Hier lauern für Arbeitgeber und Arbeitnehmer viele Fallstricke und Besonderheiten. Als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht unterstütze ich Sie gerne im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess gegen eine etwaige Sie belastende Entscheidung der Aufsichtsbehörde.

Verwaltungsverfahren ist Voraussetzung für eine Kündigung während der Elternzeit

Voraussetzung für eine Kündigung während der Elternzeit ist die Partizipation der zuständigen Aufsichtsbehörde und das Vorliegen eines „besonderen Falles“.

Die zuständige Aufsichtsbehörde kann das nach § 18 Absatz 1 Satz 1 BEEG bestehende Verbot einer Kündigung während der Elternzeit bei Vorliegen eines „besonderen Falls“ ausnahmsweise aufheben und damit die Kündigung zulassen. Ermächtigungsgrundlage für diese Befugnis ist § 18 Absatz 1 Satz 4 BEEG.

Die Zulässigkeit der Kündigung muss der Arbeitgeber bei der zuständigen Aufsichtsbehörde beantragen. Im Zuge dessen muss Ihnen als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben werden, sich zu der beabsichtigten Kündigung zu äußern.

Was passiert, wenn Kündigungsschutz nach Mutterschutzgesetz und BEEG zusammentreffen?

Treffen besonderer Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz und nach § 18 BEEG zusammen, laufen die Kündigungsverbote parallel. Der Arbeitgeber muss daher bei beiden Aufsichtsbehörden die Zustimmung beantragen

Beispiel: Eine Frau nimmt in den ersten vier Monaten nach der Entbindung, nach der Geburt Elternzeit oder erleidet eine erneute Schwangerschaft während der Elternzeit.

Die Kündigungsverbote bestehen nebeneinander, sodass der Arbeitgeber bei Vorliegen von Mutterschaft und zusätzlich Erziehungsurlaub für eine Kündigung der Zulässigkeitserklärung der Arbeitsschutzbehörde nach beiden Vorschriften bedarf.

„[so] ist die derzeitige Gesetzeslage von zwei Kündigungsschutzbestimmungen geprägt, die beide Anspruch auf Beachtung haben. Ausnahmen hiervon oder Verweisungen auf die jeweils andere Vorschrift sind nicht geregelt. Eine Einschränkung der Anwendung derartiger Kündigungsverbotsnormen erscheint daher nicht angängig.“

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. März 1993 – 2 AZR 595/92

Das bedeutet konkret: Treffen die Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 MuSchG und § 18 BEEG zusammen, ist es erforderlich, dass der Arbeitgeber die Zulässigkeitserklärung der Kündigung nach beiden Rechtsvorschriften beantragt. Andernfalls ist eine wirksame Kündigung nicht zulässig. Der Antrag muss differenziert erkennen lassen, nach welcher Bestimmung die Zulässigkeitserklärung begehrt wird.

Was ist, wenn der Arbeitgeber die Aufsichtsbehörde nicht beteiligt?

Ohne die Zustimmung der Aufsichtsbehörde und ohne vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist die Kündigung unzulässig. Dennoch kann es passieren, dass die Frist für eine arbeitsrechtliche Kündigungsschutzklage zu laufen beginnt.

Grundsätzlich ist die Kündigung ohne durchgeführtes Verwaltungsverfahren nichtig, § 134 BGB.

Dies bedeutet daher nicht, dass Arbeitnehmer untätig bleiben können, wenn der Arbeitgeber keine Zustimmung der Aufsichtsbehörde eingeholt hat. Denn hat der Arbeitgeber keine Kenntnis vom Vorliegen des besonderen Kündigungsschutzes, blockiert § 4 Satz 4 KSchG nicht die Frist für die normale Kündigungsschutzklage. 

Denn Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 4 Satz 4 KSchG ist die Kenntnis des Arbeitgebers vom besonderen Kündigungsschutz zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.

Wichtig: Bei Kündigung während Elternzeit ohne Beteiligung der Aufsichtsbehörde nicht untätig bleiben!

Erlangt der Arbeitgeber erst nach Zugang der Kündigung Kenntnis, findet § 4 S. 4 KSchG keine Anwendung (BAG, Urteil vom 19. 2. 2009 – 2 AZR 286/07, Randziffer 27)! Das bedeutet, dass bei Unkenntnis des Arbeitgebers ab dem Zugang der Kündigung während der Elternzeit ohne Beteiligung der Aufsichtsbehörde zunächst die normale Kündigungsschutzfrist zu laufen beginnt.

Wie läuft das Verwaltungsverfahren bei der Aufsichtsbehörde ab?

Die Zulässigkeitserklärung der Kündigung hat der Arbeitgeber bei der für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Behörde schriftlich oder zu Protokoll zu beantragen. Im Antrag sind der Arbeitsort und die vollständige Anschrift des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin, dem oder der gekündigt werden soll, anzugeben. Der Antrag ist zu begründen; etwaige Beweismittel sind beizufügen oder zu benennen.

Die Behörde hat vor ihrer Entscheidung dem betroffenen Arbeitnehmer oder der betroffenen Arbeitnehmerin sowie dem Betriebs- oder Personalrat Gelegenheit zu geben, sich mündlich oder schriftlich zu dem Antrag zu äußern. Die Entscheidung muss unverzüglich getroffen werden.

Die Behörde hat ihre Entscheidung (Zulässigkeitserklärung oder Ablehnung mit Rechtsbehelfsbelehrung) schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Arbeitgeber sowie dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin zuzustellen. Dem Betriebs- oder Personalrat ist eine Abschrift zu übersenden.

 Was sind besondere Gründe für eine Ausnahme vom besonderen Kündigungsschutz?

Die Annahme eines „besonderen Falls“ stellt höhere Anforderungen als die eines „wichtigen Grundes“, der eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Absatz 1 BGB rechtfertigt. Beide Begriffe sind nicht deckungsgleich.

Zur Beantwortung der Frage, ob ein besonderer Fall vorliegt, wird durch die Rechtsprechung auf die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Kündigungsschutz bei Elternzeit“ zurückgegriffen.

Genannt werden dort:

  • Betriebsstilllegung
  • Stilllegung der Betriebsabteilung bei fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in anderen Betriebsabteilungen
  • Betriebs- oder Betriebsabteilungsverlagerung
  • Ablehnung der Arbeitnehmerin einer angebotenen zumutbaren Weiterbeschäftigung
  • Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Arbeitnehmers

Der „besondere Fall“ ist deshalb mit dem „wichtigen Grund“ des § 626 BGB nicht gleichzusetzen. § 18 BEEG verfolgt den Zweck, mit einem grundsätzlich absoluten Kündigungsschutz einen größtmöglichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers während der Dauer der Elternzeit zu gewährleisten. 

Während der Elternzeit kann eine Kündigung daher nur in besonderen Ausnahmefällen erfolgen.

Ein „besonderer Fall“ im Sinne von § 18 I 4 BEEG kann nur dann angenommen werden, wenn außergewöhnliche Umstände es rechtfertigen, die vom Gesetz grundsätzlich als vorrangig angesehenen Interessen des Elternzeit beanspruchenden Arbeitnehmers hinter die Interessen des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zurücktreten zu lassen.

VGH München, Beschluss vom 5.11.2019 – 12 ZB 19.1222

Was muss ich als Arbeitnehmer im Rahmen der Anhörung sagen?

Was konkret im Rahmen der Anhörung gesagt werden sollte, ist abhängig vom konkreten „besonderen Fall“. Je nach dem auf welchen Grund sich der Arbeitgeber beruft, ändern sich die Anforderungen. Beispielsweise muss nicht Stellung genommen werden, ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht. In diesem Fall muss die Frage, ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht, durch die Arbeitsgerichtsbarkeit festgestellt werden. Die Behörde hat keine Möglichkeiten, dies bindend festzustellen. Stützt sich der Arbeitgeber auf eine Pflichtverletzung ist ein Vortrag im Rahmen der Anhörung erforderlich, der – seine Wahrheit unterstellt – geeignet ist, das Vorliegen eines besonderen Falles zu erschüttern. Der Vortrag muss mithin erheblich sein.

Wer nicht erst im Widerspruchs- oder Klageverfahren, sondern bereits im Rahmen der Anhörung die Weichen für einen für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin positiven Bescheid stellen möchte, sollte an dieser Stelle konkret und präzise auf die einzelnen Vorwürfe eingehen.

Kommt es auf eine rechtliche Würdigung an, beispielsweise ob eine Äußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, ist hinreichender Tatsachenvortrag erforderlich. Es muss für die Behörde das erforderliche Tatsachenmaterial dargelegt werden, welches es der Behörde ermöglicht, zu prüfen, ob der Schutzbereich von Grundrechten eröffnet ist.

Idealerweise konsultieren Sie bereits an dieser Stelle einen Rechtsanwalt für Verwaltungsrecht.

Wie kann ich mich gegen negativen Bescheid der Behörde wehren?

Die Entscheidung der zuständigen Aufsichtsbehörde ist ein Verwaltungsakt. Die die Kündigung ermöglichende Entscheidung der zuständigen Aufsichtsbehörde ist ein belastender Verwaltungsakt. Statthafte Klageart nach Durchführung eines etwaigen Verwaltungsverfahrens (Widerspruchsverfahren) ist die Anfechtungsklage nach § 42 Absatz 1 Alternative 1 VwGO.

1) Rechtswidrigkeit der Behördenentscheidung kann in Bestandskraft erwachsen!

Wenn die Aufsichtsbehörde eine falsche Entscheidung getroffen haben sollte, ist zu beachten, dass dies nichts an der Wirksamkeit der Entscheidung ändert. Die Entscheidung kann bestandskräftig werden, wenn nicht innerhalb der dafür vorgesehenen Fristen ein Verwaltungsverfahren und/oder ein Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht in die Wege geleitet wird.

Gegen die Entscheidung muss sich daher nach einem etwaig statthaften Widerspruchsverfahren vor dem Verwaltungsgericht gewehrt werden. Hier sind lokale Besonderheiten zu beachten. Beispielsweise ist in NRW der direkte Klageweg gegeben. Ein Widerspruchsverfahren ist nicht in jedem Bundesland statthaft.

Geht man gegen die Entscheidung der Aufsichtsbehörde nicht gesondert vor, läuft man Gefahr, dass die Entscheidung der Aufsichtsbehörde in Bestandskraft erwächst. An eine rechtswidrige, aber bestandskräftige Entscheidung der Aufsichtsbehörde wäre das Arbeitsgericht in der aber Folge gebunden. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden.

2) In Bestandskraft erwachsene Entscheidungen der Aufsichtsbehörde sind für die Arbeitsgerichte bindend!

In diesem Zusammenhang führt das Bundesarbeitsgericht, in seinem Urteil vom 22. 6. 2011, Aktenzeichen 8 AZR 107/10 aus:

„Die von der Kl. geltend gemachten Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Zulässigkeitserklärung greifen bereits deshalb nicht, weil es sich bei der Entscheidung vom […] um einen bestandskräftigen Verwaltungsakt handelt. Da eine Nichtigkeit dieses Bescheids nicht in Betracht zu ziehen ist, hätte seine Wirksamkeit nur in einem Widerspruchsverfahren und gegebenenfalls im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nachgeprüft werden können. An den bestandskräftigen Verwaltungsakt […] sind die Arbeitsgerichte deshalb gebunden.

undesarbeitsgericht, Urteil vom 22. 6. 2011, Aktenzeichen 8 AZR 107/10

RA Dipl. iur. Marc Heidemann

RA Marc Heidemann konzentriert sich auf das Verwaltungsrecht und deckt eine breite Palette an verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten ab. Seine Schwerpunkte liegen insbesondere im Waffenrecht, Denkmalschutzrecht und Baurecht. Bei verwaltungsrechtlichen Fragen bietet er zudem Unterstützung im Arbeits- und Zivilrecht. Entdecken Sie sein Fachwissen für Ihre rechtlichen Belange.

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