Ablehnung Aufnahme Wunschschule wegen Überkapazität?
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Die Ablehnung wegen Überkapazität an der Wunschschule ist grundsätzlich ein großes rechtliches Hindernis. Gelangt man im Nachrückverfahren nach Erhebung eines Widerspruchs nicht an die Wunschschule, hat eine Klage nur Aussicht auf Erfolg, wenn bei der Verteilung der Plätze grobe Fehler gemacht wurden, was in der Regel aber nicht der Fall ist. Denn die Schulbehörden halten sich mit aller Kraft an die Vorgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Fehlt es an einem Vorabaufnahmegrund, Geschwisterkinder(n) und einem kurzem Schulweg, haben andere Kinder mit kürzeren Schulwegen oder Vorabaufnahmegründen Vorrang auf den Schulplatz. Als Rechtsanwalt für Schulrecht in Hamburg berate ich Sie hierzu gerne.
Außerrechtlich sei darauf hingewiesen, dass es einfach zum Leben gehört, wenn Bindungen zu Freunden etc. durch die Zuweisung an eine andere Schule auf die Probe gestellt werden. Diese Lebensrealität beginnt in der Schule und findet sich spiegelbildlich später im Studenten- und/oder Berufsleben. Es lohnt sich, in einer solchen Ablehnung auch eine Herausforderung zu sehen.
Prozessuales Vorgehen: Eilantrag
Wegen des oft nahegerückten Schulbeginns wäre im Eilverfahren prozessual zusätzlich zur Klage ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlich. Dieser müsste darauf gerichtet sein, die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Kind in die Wunschschule aufzunehmen.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, dass die Antragsteller Umstände glaubhaft machen, aufgrund derer sie dringend auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung angewiesen sind (Anordnungsgrund) und aus denen sie in der Hauptsache einen Anspruch herleiten (Anordnungsanspruch). Das bedeutet, dass mit dem notwendigen hohen Maß an Wahrscheinlichkeit ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht muss. Anordnungsanspruch bedeutet, dass ihnen der Anspruch auf Aufnahme in die Wunschschule zusteht.
Grundsätzlich kein Anspruch auf Aufnahme in bestimmte Schule
Nach § 1 Satz 4 des Hamburgischen Schulgesetzes (HmbSG) ergeben sich aus dem Recht auf schulische Bildung individuelle Ansprüche nur, wenn solche nach Voraussetzungen und Inhalt im Schulgesetz oder aufgrund des Schulgesetzes bestimmt sind.
Im Schulgesetz finden sich keine individuellen Ansprüche auf eine konkrete schulische Bildung.
Insbesondere folgt aus § 42 HmbSG kein Recht auf Aufnahme in eine bestimmte Schule (OVG Hamburg, Beschl. v. 27.7.2005, 1 Bs 205/05, juris Rn. 10).
Der Bildungsanspruch ist grundsätzlich auf die Teilhabe an dem vorhandenen Schulwesen beschränkt, das nach Maßgabe des Schulgesetzes einzurichten und zu unterhalten ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 9.8.2019, 1 Bs 177/19, juris Rn. 10; Beschl. v. 27.7.2005 a.a.O.).
Das aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. § 42 Abs. 7 HmbSG herzuleitende Teilhaberecht an den vorhandenen öffentlichen Bildungseinrichtungen verleiht einen Anspruch darauf, bei der Verteilung gleichbehandelt zu werden, also nicht ohne vertretbaren Grund gegenüber anderen Schülerinnen und Schülern benachteiligt zu werden.
Lediglich Anspruch auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung
Sind die bestehenden Kapazitäten nicht hinreichend, um alle Schulbewerber aufzunehmen, so kann allein beansprucht werden, dass über die Verteilung der Plätze nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG und des § 42 Abs. 7 HmbSG sowie weiterer die Auswahlentscheidung betreffender Vorgaben des Schulgesetzes ermessensfehlerfrei entschieden wird (OVG Hamburg, Beschl. vom 8.8.2011, 1 Bs 137/11, juris Rn. 8; Beschl. v. 17.7.2013, 1 Bs 213/13, juris Rn. 5).
Ebenso folgt aus dem Recht auf schulische Bildung (Art. 7 Abs. 1 GG i.V.m. dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG) ein Recht auf gleiche Teilhabe an den staatlichen Bildungsleistungen.
Dies ist nur verletzt ist, wenn die Zugangsvoraussetzungen willkürlich oder diskriminierend ausgestaltet oder angewendet werden (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021, 1 BvR 971/21, 1 BvR 1069/21, NJW 2022, 167, Rn. 59 f.).
Kein Anspruch auf überkapazitäre Zuweisung
Eine Ablehnung ist in der Regel nicht zu beanstanden, wenn die Kapazitäten erschöpft sind. Eine überkapazitäre Zuweisung an eine solche Schule kann dann nicht beansprucht werden.
Enumerierte Bemessungskriterien bei Überkapazität
Die Kriterien, nach denen für den Fall erschöpfter Kapazitäten die Auswahl der Schülerinnen und Schüler vorzunehmen ist, sind grundsätzlich vom Gesetz abschließend vorgegeben.
Maßgeblich sind gemäß § 42 Abs. 7 Satz 3 HmbSG die geäußerten Wünsche und die Ermöglichung altersangemessener Schulwege sowie die gemeinsame schulische Betreuung von Geschwistern für Kinder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf.
Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf
Für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf erfolgt eine Festlegung des Lernortes unter Berücksichtigung der Wünsche der Sorgeberechtigten gemäß § 12 Abs. 4 Satz 5 HmbSG.
Kinder aus zentralen Erstaufnahmestellen oder Wohnunterkünfte
Ebenfalls kann eine Lernortbestimmung nach § 28b Abs. 2 HmbSG für Schülerinnen und Schüler, die in öffentlichen Wohneinrichtungen wie zentralen Erstaufnahmestellen oder Wohnunterkünften leben, vorgenommen werden.
Härtefälle
Über die ausdrücklich im Hamburgischen Schulgesetz genannten Verteilungskriterien von Plätzen an Schulen wird zulässigerweise aus Gründen der Verhältnismäßigkeit das im Gesetz nicht genannte Kriterium des Härtefalls berücksichtigt (OVG Hamburg, Beschl. v. 30.9.2011, 1 Bs 167/11, juris Rn. 12).
Weitere Tatbestände zur Vorabzuweisung sieht das Hamburgische Schulgesetz in § 14 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz, Satz 3 HmbSG für Kinder vor, die eine an eine Stadtteilschule angegliederte Grundschule besuchen.Der Gesetzgeber hat eine Ermessensentscheidung nur nach den in das Gesetz aufgenommenen Kriterien vorgesehen (Bü-Drs. 19/3195, S. 18).
Verwaltungsübung der Ermessensausübung maßgeblich
Die Ermessensausübung wird wesentlich gesteuert durch die Verwaltungsübung der Antragsgegnerin. Diese richtet sich nach der Verwaltungsvorschrift „Handreichung zur Organisation der Aufnahme in Klasse 5 an weiterführenden Schulen, Schuljahr 2022/2023, Stand: Januar 2022“ (Handreichung).
Nach Abschnitt B Ziffer 4 i.V.m. Abschnitt A Ziffer 3 erfolgt zunächst die Verteilung der Schülerinnen und Schüler mit besonderen Aufnahmetatbeständen. Im Übrigen ist insbesondere Abschnitt B Ziffer 4 der Handreichung ermessensleitend, dessen Kriterien mit den gesetzlichen Vorgaben in Einklang stehen (vgl. zu gleichlaufenden Vorgaben aus vorangegangenen Verwaltungsvorschriften der Antragsgegnerin: OVG Hamburg, Beschl. v. 8.8.2011, 1 Bs 137/11, juris Rn. 9 ff.; Beschl. v. 22.8.2011, 1 Bs 157/11, n.v.).
1) Härtefallkinder oder sonstige Vorabaufnahmegründe
Danach sind im Rahmen der geäußerten Erstwünsche (Schritt 1) zunächst die Kinder zu berücksichtigen, bei denen ein Härtefall oder ein sonstiger Vorabaufnahmegrund, insbesondere Inklusionskinder nach § 12 HmbSG, vorliegt (Schritt 1a).
2) Geschwisterkinder
im nächsten Schritt Kinder, die im kommenden Schuljahr ein Geschwisterteil auf der Schule haben (Schritt 1b).
3) Schulweglänge
Ferner wird die Auswahl nach dem Kriterium der Schulweglänge getroffen (Schritt 1c).
Überschreitung der Klassengrößen erst letzter Schritt
Erst nach den Erstwünschen kommen Zweit- und Drittwünsche nach dem Kriterium der Schulweglänge zum Zuge (Schritte 2 und 3). Wenn keine Wunschschule zugewiesen werden kann, erfolgt gemäß Abschnitt B Ziffer 4 in einem vierten Schritt die Zuweisung an eine Schule in altersangemessener Entfernung vom Wohnort innerhalb der Kapazität (Schritt 4a).Erst dann, wenn eine solche nicht vorhanden ist, an eine Schule unter Überschreitung der Klassengröße gemäß § 87 Abs. 1 Satz 4 HmbSG (Schritt 4b).